Teil XVIII

Die Be­stre­bun­gen der Re­for­mer – zu de­nen Clau­se­witz ge­hör­te –, den Preu­ßen ei­ne Ver­fas­sung zu ge­ben und die Mi­li­tär­re­form vor­an­zu­trei­ben, wa­ren ge­schei­tert. Die Fol­ge des­sen wa­ren po­li­ti­sche Tur­bu­len­zen, die sich weit bis nach dem Ab­le­ben Clausewitz´hinzogen. His­to­ri­ker be­zeich­nen die­se Er­schei­nun­gen als »Re­stau­ra­ti­on« und »Vor­märz«.

Hier an die­ser Stel­le keh­ren wir noch ein­mal zu Clausewitz´Schrift »Um­trie­be« (1819 – 1823) zu­rück. In kei­ner an­de­ren Ar­beit war Clau­se­witz mit so­zio­lo­gi­schen Fra­gen der preu­ßi­schen In­nen­po­li­tik so be­fasst, wie in dieser.

Ne­ben den Be­schrei­bung der »Ex­tra­va­gan­zen« und der Pro­ble­me der aka­de­mi­schen Ju­gend wid­me­te sich Clau­se­witz in sei­nen »Um­trie­ben« auch der Schil­de­rung von Un­zu­frie­den­hei­ten im preu­ßi­schen Land. Clau­se­witz hat­te Be­mü­hun­gen nach ei­ner po­li­ti­schen Ein­heit Deutsch­lands als il­lu­so­risch be­zeich­net. Er er­war­te­te nicht, dass sich die brei­te Volks­mas­se da­für be­geis­tern ließe.

»(…) Es fehl­te zwar in Preu­ßen nicht an Ge­gen­stän­den der Un­zu­frie­den­heit und die ei­nen re­el­le­ren Grund hat­ten als die Um­trie­be der Stu­den­ten, al­lein sie hat­ten teils gar kei­ne, teils ei­ne rück­wir­ken­de Be­zie­hun­gen zu diesen. (…)«
(Vergl. »Carl von Clau­se­witz: Po­li­ti­sche Schrif­ten und Brie­fe«, Hg. Dr. H. Roth­fels, Drei Mas­ken Ver­lag, Mün­chen 1922, XIV Um­trie­be (1819 – 1823), S.184)

Clau­se­witz be­weg­te sich in sei­nen »Um­trie­ben« fol­ge­rich­tig im Span­nungs­feld der drei gro­ßen Grund­pro­ble­me sei­ner Zeit, nach 1815:

1. Dem Ge­biets­zu­wachs Preu­ßens durch das Rhein­land, West­fa­len, der Pro­vinz Sachsen,Schwedisch-Vorpommern und Po­sen; (sie­he An­la­ge Verwaltungseinrichtungen)
2. Dem Re­form­stau der al­ten Gesellschaft;
3. Den Re­stau­ra­ti­ons­be­stre­bun­gen der kon­ser­va­ti­ven Hof­par­tei um Kö­nig F. W. III.

Sein Au­gen­merk war da­bei be­son­ders auf die Ver­är­ge­rung des Adels ge­rich­tet, der sich in­fol­ge der Staats­re­for­men um sei­nen Sta­tus ge­bracht sah. Der Adel – durch Krieg und Kri­sen ge­beu­telt – war ein Pfei­ler der Restauration.

»(…) Die vie­len An­stren­gun­gen der Kriegs­zeit hat­ten den Grund­be­sit­zer sehr her­un­ter­ge­bracht; die neu­en Ein­rich­tun­gen der bäu­er­li­chen Ver­hält­nis­se mach­ten sei­ne Be­wirt­schaf­tung viel kost­ba­rer, und er fühlt sich al­so in ei­ner sehr ge­dräng­ten La­ge, wor­aus ganz na­tür­lich Un­zu­frie­den­heit ent­sprang. Daß die­se Un­zu­frie­den­heit aber den Plä­nen der Dem­ago­gen nicht zu­sag­te, viel­mehr ein Ge­gen­ge­wicht für sie war, ist klar. (…)«
(Vergl. »Carl von Clau­se­witz: Po­li­ti­sche Schrif­ten und Brie­fe«, Hg. Dr. H. Roth­fels, Drei Mas­ken Ver­lag, Mün­chen 1922, XIV Um­trie­be (1819 – 1823), S.184)

Be­mer­kens­wer­ter­wei­se be­nutzt Clau­se­witz hier sel­ber den Be­griff »Dem­ago­gen« mehr­fach. Die­se Be­griff­lich­keit hat­te sich nach den «Karls­ba­der Be­schlüs­sen« (1819) für die Über­wa­chung und Ver­fol­gung »re­vo­lu­tio­nä­rer Bür­ger«, Pro­fes­so­ren, Stu­den­ten, Uni­ver­si­tä­ten so­wie Bur­schen­schaf­ten ma­ni­fes­tiert. Hat­te sich Clau­se­witz zu die­sem Zeit­punkt mit Ziel, Form und In­halt der so­ge­nann­ten »Dem­ago­gen­ver­fol­gung« iden­ti­fi­ziert? Im­mer­hin dürf­te es ihm nicht ent­gan­gen sein, dass Fich­te, v. Stein, so­gar v. Har­den­berg in Ver­dacht ge­rie­ten, geis­tig in­vol­viert ge­we­sen zu sein. Dass Jahn ver­haf­tet, Arndt und wei­te­re Pro­fes­so­ren ih­rer Äm­ter ent­ho­ben und Straf­pro­zes­sen aus­ge­setzt wa­ren, dürf­te dem Di­rek­tor der All­ge­mei­nen Kriegs­schu­le (seit 1818) auch nicht ent­gan­gen sein.

Im Vi­sier der Staatsgewalt
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In sei­ner Schrift »Um­trie­be 1818 – 1823« wird Clau­se­witz da­zu sehr deutlich:

»(…) Wir fin­den al­so im Jahr 1818 die deut­sche aka­de­mi­sche Ju­gend auf – und an­ge­regt zu ei­ner po­li­ti­schen Wie­der­ge­burt. Sie weiß es selbst nicht, was das sein und hei­ßen soll; auch die Pro­fes­so­ren, die es ih­nen ge­lehrt ha­ben, wis­sen es nicht, oder der ei­ne weiß es so, der an­de­re weiß es an­ders. Aber vor al­lem ist ge­lehrt und aus­ge­macht wor­den, daß die deut­schen Re­gie­run­gen (un­be­scha­det der Schlech­tig­keit der an­de­ren eu­ro­päi­schen) ver­dor­be­ne Rot­ten sind, kol­lek­ti­ve Bö­se­wich­te […] die nur das Üb­le wol­len, das Gu­te auf­hal­ten, die Zeit nicht ver­ste­hen, das Volk nicht lie­ben […] ein ste­hen­der fau­ler Sumpf, ein Pfuhl des Ver­der­bens ist […] es muß al­so wie­der an­ders wer­den in der Welt. (…)«
(Vergl. »Carl von Clau­se­witz Po­li­ti­sche Schrif­ten und Brie­fe«, Hg. Dr. H. Roth­fels, Drei Mas­ken Ver­lag, Mün­chen 1922, XIV Um­trie­be (1819 – 1823), S. 182 bis 183)

Nein, Clau­se­witz war im Zwei­fel ob der Recht­mä­ßig­keit die­ser re­vo­lu­tio­nä­ren Um­trie­be, und folg­lich stand er in Op­po­si­ti­on ge­gen die un­ter Ver­dacht ste­hen­den Prot­ago­nis­ten und de­ren Ideen. Ge­treu sei­ner Grund­über­zeu­gung – wir ver­wie­sen be­reits dar­auf – jeg­li­che Ge­heim­bün­de­lei ab­zu­leh­nen. Er war im­mer noch der kö­nigs­treue Soldat.

Im Wei­te­ren stellt Clau­se­witz die pre­kä­re fi­nan­zi­el­le La­ge Preu­ßens dar, die sich durch die lan­ge Kriegs­pe­ri­ode er­ge­ben hat­te. Die­se ver­such­te der Staat durch Auf­he­bung von Be­am­ten­ge­häl­tern und Steu­er­erhö­hun­gen zu re­gu­lie­ren, was wie­der­um zur Un­zu­frie­den­heit wei­ter Be­völ­ke­rungs­tei­le führte.

»(…) So kam es, daß der Staat jetzt jähr­lich 50 Mi­li­o­nen er­hob, da er sonst nur 36 Mil­lio­nen er­ho­ben hat­te. […] Es ent­stand al­so auch von die­ser Sei­te ein un­ge­wohn­ter Druck, der na­tür­lich zu Kla­gen führ­te. Aber kei­nem ver­nünf­ti­gen Men­schen konn­te es wohl ein­fal­len, von den il­lu­sio­ri­schen Plä­nen der Dem­ago­gen in die­sem re­el­len Übel ei­ne Ab­hil­fe zu erwarten. (…)«
(Vergl. »Carl von Clau­se­witz Po­li­ti­sche Schrif­ten und Brie­fe«, Hg. Dr. H. Roth­fels, Drei Mas­ken Ver­lag, Mün­chen 1922, XIV Um­trie­be (1819 – 1823), S. 185)

Von wei­te­rer Be­deu­tung war für Clau­se­witz »die Sto­ckung des Han­dels« als Quel­le der da­ma­li­gen Ver­dros­sen­heit, die wa­ren sei­ner Mei­nung nach auf die gro­ßen »Ter­ri­to­ri­al­ver­än­de­run­gen« zurückzuführen.

»(…) Bei gro­ßen Ter­ri­to­ri­al­ver­än­de­run­gen tritt der­glei­chen im­mer ein;[…] Dies war bei uns be­son­ders mit den rhein­län­di­schen Pro­vin­zen der Fall, die ih­ren Ab­satz nicht mehr nach Frank­reich und den Nie­der­lan­den ma­chen konn­ten und in dem ent­fern­ten preu­ßi­schen Mut­ter­staa­te nicht gleich Er­satz fanden. (…)«
(Vergl. »Carl von Clau­se­witz Po­li­ti­sche Schrif­ten und Brie­fe«, Hg. Dr. H. Roth­fels, Drei Mas­ken Ver­lag, Mün­chen 1922, XIV Um­trie­be (1819 – 1823), S. 185)

Auf der an­de­ren Sei­te hob Clau­se­witz je­doch auch die er­heb­li­chen Pro­ble­me des schle­si­schen Lein­wand­han­dels her­vor, der nun­mehr 10 Mil­lio­nen Ta­ler im Jahr ver­lor. Die schle­si­schen Pro­duk­ti­ons­stät­ten ge­rie­ten in Not und Ar­mut, so Clau­se­witz. Hier ist der Kriegs­phi­lo­soph je­doch of­fen­sicht­lich nicht in der La­ge, kon­kre­te Ur­sa­chen für die­se Er­schei­nung zu nen­nen. Viel­mehr un­ter­streicht er ein­mal mehr sei­ne Auf­fas­sung von der Un­fä­hig­keit der deut­schen Ju­gend hier Ab­hil­fe zu schaffen.

Hier hät­te Clau­se­witz be­reits auf die be­gin­nen­de In­dus­tria­li­sie­rung in Preu­ßen mit mög­li­chen Kon­se­quen­zen ver­wei­sen müs­sen. In den zu­meist länd­li­chen tra­di­tio­nell fa­mi­li­är ba­sie­ren­den Pro­duk­ti­ons­stät­ten war man zu­neh­mend nicht mehr in der La­ge, dem Druck bil­li­ger ma­schi­nell her­ge­stell­ter Pro­duk­te zu be­geg­nen. Das Re­sul­tat war die Ver­elen­dung der schle­si­schen We­ber, die letzt­end­lich zu Un­ru­hen, Auf­ruhr und zum We­ber­auf­stand von 1844 führ­te. Hein­rich Hei­ne als Ver­tre­ter der Li­te­ra­tur­epo­che des Vor­märz setz­te mit sei­nem Ge­dicht »Die schle­si­schen We­ber« die­sem Auf­stand ein Denk­mal. Wir ver­wie­sen be­reits auf die 1. Stro­phe, hier nun die letzte.

»Das Schiff­chen fliegt, der Web­stuhl kracht,
Wir we­ben em­sig Tag und Nacht –
Alt­deutsch­land, wir we­ben dein Leichentuch,
Wir we­ben hin­ein den drei­fa­chen Fluch,
Wir we­ben, wir we­ben!« Hein­rich Heine

Heim­we­ber lie­fern ih­re Wa­re ab
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Erst am 1. No­vem­ber 1822, al­so zwei Jah­re nach der Nie­der­le­gung der »Um­trie­be«, er­fah­ren wir durch ei­nen Brief Gnei­sen­aus vom Ge­dan­ken­aus­tausch mit Clau­se­witz, öko­no­mi­sche Pro­ble­me be­tref­fend. Je­doch auch bei Gnei­se­nau kei­ne Ana­ly­se, wenn er von der Mi­se­re des Lein­wand­han­dels schreibt. Sei­ne Sor­ge gilt dem Adel, wenn er schlussfolgert:

»(…) Der Adel wird zu­erst ins Ver­der­ben und sei­ne Gü­ter bis zum Un­wert her­ab­sin­ken, nur ein klei­ner Teil sei­ner Mit­glie­der wird sich im Be­sitz hal­ten können.(…)«
(Vergl. »Gnei­se­nau« Ein Le­ben in Brie­fen, Hg. Dr. Karl Gri­wank, Koeh­ler & Ame­lang / Leip­zig, 1939, S. 370)

Wo­mög­lich war Clau­se­witz auch Chris­ti­an Pe­ter Wil­helm Beuth (*1781; 1853) be­geg­net, der 1818 zum Di­rek­tor der Ab­tei­lung für Han­del und Ge­wer­be Preu­ßens er­nannt wur­de. Beuth war im­mer­hin Tisch­ge­nos­se an der Christ­lich-deut­schen Tisch­ge­sell­schaft, an der auch Clau­se­witz saß. Je­ner Beuth, der 1811 durch ju­den­feind­li­che Re­den auf­ge­fal­len war, en­ga­gier­te sich ve­he­ment für die In­dus­tria­li­sie­rung Preu­ßens. Bei der Ent­wick­lung des Ver­kehrs­we­sens setz­te er sich für die Ein­füh­rung der Dampf­kraft ein. Be­reits 1816 war Fol­gen­des bekannt:

»(…) Die Ber­li­ni­schen Nach­rich­ten« vom Jah­re 1816 konn­ten be­rich­ten, daß am Sonn­abend, den 21. Ju­ni 1816, in Span­dau der Kiel des ers­ten Dampf­boo­tes ge­legt wä­re. Ei­ni­ge Dampf­schif­fe fuh­ren be­reits zwi­schen Mag­de­burg und Hamburg; (…)«
(Vergl. Beuth und die Deut­sche Dampf­schif­fahrt , aus »Die An­fän­ge der In­dus­trie in Deutsch­land«, R. Krennn, Volk und Wis­sen Ver­lag, 1949, S. 42)

Wenn un­ser Carl mit sei­ner Frau Ma­rie in sei­ner Di­rek­to­ren­zeit an der Spree in Ber­lin spa­zie­ren ging, wird er Dampf­schif­fe ge­se­hen ha­ben. Die In­dus­tria­li­sie­rung war al­so dem Ge­ne­ral nicht ver­bor­gen ge­blie­ben. Über die Kon­se­quen­zen muss er nach­ge­dacht haben.

Damp­fer ‚Prin­zes­sin Char­lot­te von Preu-
ßen‘ an der An­le­ge­stel­le am Spree­ufer in
Ber­lin, im Hin­ter­gr. Schloß Bellevue
Quelle:agk-images

Ob­wohl Clau­se­witz in waf­fen­tech­ni­schen Neue­run­gen die Ur­sa­chen für die Aus­bil­dung neu­er For­men der Kriegs­füh­rung sah, wis­sen wir, dass Clau­se­witz in sei­nem Haupt­werk »Vom Krie­ge« Fra­gen der Tech­nik, spe­zi­ell der Kriegs­tech­nik, kaum Raum ein­ge­räumt hatte.
(Vergl. »Staat und Heer« Aus­ge­wähl­te his­to­ri­sche Stu­di­en zum an­ci­en ré­gime, zur Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on und zu den Be­frei­ungs­krie­gen, W. Gem­bruch, Hg. J. Ku­nisch, Dun­cker & Hum­blot ∗ Ber­lin, 1990, S. 428 bis 429)

Er schrieb: »(…) die Ver­hält­nis­se der ma­te­ri­el­len Din­ge sind al­le sehr einfach (…)«
(Vergl. C.v. Clau­se­witz, Vom Krie­ge, Ver­lag MFNV, Ber­lin 1957, 3. Buch, 1. Ka­pi­tel, S. 156)

Nicht die phy­si­schen Mit­tel, son­dern die mo­ra­li­schen Grö­ßen wa­ren für Clau­se­witz ent­schei­dend. Sah er des­halb die sich na­hen­den ver­hee­ren­den Kon­se­quen­zen für die schle­si­schen We­ber nicht?

»(…) Um die­sen schein­ba­ren Wi­der­spruch auf­zu­lö­sen, muß man sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass Clau­se­witz wie all­ge­mein sei­ne Zeit­ge­nos­sen, im tech­ni­schen Fort­schritt […] nicht ei­nen kon­ti­nu­ier­li­chen, je­weils nur mehr oder we­ni­ger ak­zel­le­rier­ten, son­dern ei­nen durch lan­ge Pha­sen der Sta­gna­ti­on un­ter­bro­che­nen, nur stu­fen­wei­se sich rea­li­sie­ren­den Pro­zeß ge­se­hen hat – ei­ne für die Zeit vor der in­dus­tri­el­len Re­vo­lu­ti­on und dem Ma­schi­nen­zeit­al­ter durch­aus be­grün­de­te Auffassung. (…)«
(Vergl. »Staat und Heer« Aus­ge­wähl­te his­to­ri­sche Stu­di­en zum an­ci­en ré­gime, zur Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on und zu den Be­frei­ungs­krie­gen, W. Gem­bruch, Hg. J. Ku­nisch, Dun­cker & Hum­blot ∗ Ber­lin, 1990, S. 428 bis 429)

Die oben ge­nann­ten »Sto­ckun­gen« des Han­dels führ­ten be­son­ders in den rhein­län­di­schen Pro­vin­zen zu Un­zu­frie­den­hei­ten, so Clau­se­witz. Wie in den »Um­trie­ben« be­schrie­ben, sah Carl je­doch ein ge­wis­ses Ein­füh­lungs­ver­mö­gen der Rhein­län­der ge­gen­über den Um­trie­ben. Was er wohl mehr oder we­ni­ger dem Volks­cha­rak­ter zuschrieb.

»(…) Die Rhein­län­der der Ge­gend von Mainz, Ko­blenz, Trier und Aa­chen (die von Köln und dem Nie­der­rhein ha­ben ei­nen an­de­ren Cha­rak­ter) sind ein we­nig von der bel­gi­schen Art, reg­sam und un­stät. Von leb­haf­tem Blut, be­trieb­sam, ge­scheit, neh­men sie sie gern an dem öf­fent­li­chen Le­ben, dün­ken sich viel und sind sel­ten mit dem be­stehen­den Zu­stan­de der Din­ge zu­frie­den. Das Volk über­haupt und be­son­ders auf dem fla­chen Lan­de, hat doch viel Freund­lich­keit, in den Städ­ten sind sie et­was hämisch. (…)«
(Vergl. »Carl von Clau­se­witz Po­li­ti­sche Schrif­ten und Brie­fe«, Hg. Dr. H. Roth­fels, Drei Mas­ken Ver­lag, Mün­chen 1922, XIV Um­trie­be (1819 – 1823), S. 186)

Die Wahr­heit war, dass die Rhein­län­der die Preu­ßen nicht lieb­ten, und Clau­se­witz konn­te nicht ele­gan­ter die ge­gen­sei­ti­ge Ab­nei­gung for­mu­lie­ren. Be­gin­nend mit 1823 bis in die Ge­gen­wart wird da­her auch das preu­ßi­sche Mi­li­tär im rhei­ni­schen Kar­ne­val de­spek­tier­lich dargestellt.

Gleich­wohl spricht Clau­se­witz je­doch em­pa­thisch über die Aus­wir­kun­gen der Hun­gers­not der Jah­re 1816 bis 1817, die er auf ei­nen »Miss­wuchs« zu­rück­führ­te. Die­ser Zu­stand war vor­nehm­lich auf nass­kal­tes Wet­ter mit schwe­ren Re­gen- und Ha­gel­schau­ern, die zu Über­flu­tun­gen führ­ten, zu­rück­zu­füh­ren. Be­son­ders hart be­trof­fen wa­ren die rhein­län­di­schen Pro­vin­zen. Hier half der Staat mit 2 Mil­lio­nen Ta­lern, die aber kaum wirk­sam ein­ge­setzt wur­den. Clau­se­witz spricht hier von ei­nem »gro­ßen Schnit­zer« der preu­ßi­schen Re­gie­rung, der kaum das Ver­trau­en der Rhein­län­der för­der­te und die »Um­trie­be« wei­ter stärk­te. Preu­ßens Re­gie­rung ver­säum­te es, den Lauf der Gel­der zu kon­trol­lie­ren und leis­te­te so­mit der Kor­rup­ti­on Vorschub.

Wie seit je­her in Kri­sen­si­tua­tio­nen wuch­sen auch in der Hun­ger­pe­ri­ode 1816 bis 1817 die Ver­schwö­rungs­theo­rien her­vor, die jü­di­sche Bür­ger ge­gen­über der Be­völ­ke­rung in Miss­kre­dit brach­ten. Wir spre­chen hier über die so­ge­nann­ten Hepp-Hepp-Un­ru­hen des Jah­res 1819 mit ge­walt­tä­ti­gen Aus­schrei­tun­gen ge­gen Ju­den in wei­ten Tei­len des Deut­schen Bun­des. Jü­di­sche Bür­ger wur­den drang­sa­liert, Syn­ago­gen und jü­di­sche Woh­nun­gen an­ge­grif­fen und teil­wei­se zerstört.

Clau­se­witz ging in sei­nen »Um­trie­ben« dar­auf nicht ge­nau­er ein. Als Sol­dat hät­te ihn das je­doch in­ter­es­sie­ren müs­sen, denn die Un­ru­hen wur­den teil­wei­se durch Mi­li­tär be­frie­det. Al­ler­dings wa­ren die preu­ßi­schen Pro­vin­zen kaum da­von be­trof­fen. Hier gin­gen die Re­for­men nach 1815 – sto­ckend zwar – auf ei­ni­gen Ge­bie­ten weiter.

Ja­kob Katz (∗1904; †1998) be­merk­te zu den Hepp-Hepp-Krawallen:

»(…) Der Grund für die an­ti­jü­di­schen Un­ru­hen war seit lan­gem von der an­ti­jü­di­schen Pro­pa­gan­da be­rei­tet wor­den, die ei­ne Ent­schei­dung ge­gen das jü­di­sche Bür­ger­recht er­rei­chen woll­te. Die Kra­wal­le ge­scha­hen an Or­ten, wo die­se Fra­gen noch of­fen wa­ren, in Würz­burg, Ham­burg und Frank­furt. Sie gin­gen von Krei­sen aus, die sich durch den Ein­tritt von Ju­den in ih­ren Be­ruf ge­schä­digt sa­hen, d. h. von Kauf­leu­ten, […]Der ge­walt­tä­ti­ge An­griff auf Ju­den lag in der Luft. Und doch hat­te die po­li­ti­sche Füh­rung ih­re Au­gen da­vor ver­schlos­sen, bis es tat­säch­lich zu Un­ru­hen kam. (…)«
(Vergl. »Vom Vor­ur­teil bis zur Ver­nich­tung – Der An­ti­se­mi­tis­mus 1700 – 1933«, Hg. Ja­kob Katz, Uni­on Ver­lag, 1980, S. 105)

»Hepp-Hepp-Kra­wal­le in Frank­furt am Main«. Stand­ort Bild ebenda.
Quel­le: Wikipedia

Carl von Clau­se­witz wird fol­gen­des Zi­tat zugeschrieben:

»Die Zeit ist Eu­er, was sie sein wird, wird sie durch Euch sein«
(Vergl. »Carl von Clau­se­witz, Po­li­tik und Krieg: ei­ne ideen­ge­schicht­li­che Stu­die«, Hg. H. Roth­fels, Dümm­ler, Re­pr. 1920, S. 211)

Die­ser Ma­xi­me folg­te of­fen­sicht­lich der Ge­ne­ral und Phi­lo­soph in dem Le­bens­zeit­raum von 1815 bis 1830. Ei­ne Zeit, die zwar für das Land Preu­ßen nach au­ßen hin ei­ne re­la­ti­ve Ru­he be­deu­te­te, nach in­nen hin je­doch – wie wei­ter oben mit den Tur­bu­len­zen ge­schil­dert – äu­ßerst schwie­rig war.

Wir su­chen hier in die­ser Zeit nach Be­zü­gen des Ge­ne­rals zu un­se­rem The­ma, die uns der ge­nia­le Clau­se­witz je­doch kaum lie­fern kann. Weil er re­si­gnie­rend bis ins Jahr 1830 hin­ein mit sei­nem sta­ti­schen be­ruf­li­chen Fort­kom­men und sei­ner Wis­sen­schaft »Vom Krie­ge« be­schäf­tigt war. Hier war na­tür­li­cher­wei­se die Pro­ble­ma­tik der Eman­zi­pa­ti­on der Ju­den in Preu­ßen nicht das dring­lichs­te The­ma im Wir­ken Clau­se­witz´. Mehr noch, ei­ne mög­li­che In­ter­ven­ti­on sei­ner­seits in die­ser Fra­ge hät­te in je­dem Fal­le die »Hof­par­tei« auf den Plan ge­ru­fen und wo­mög­lich für er­neu­te Be­an­stan­dun­gen des Kö­nigs ge­sorgt. Wenn sich Clau­se­witz denn da­zu hät­te äu­ßern wollen.

Mar­kan­te Sta­tio­nen sei­nes Le­bens nach 1815 bis 1830 wol­len wir hier noch ein­mal zu­sam­men­fas­send benennen:

  • Chef des Ge­ne­ral­sta­bes in Ko­blenz am Nie­der­rhein 3. Ok­to­ber 1815;
  • Di­rek­tor der All­ge­mei­nen Kriegs­schu­le in Ber­lin ab 9. Mai 1818;
  • die kurz­zei­ti­ge Be­ru­fung zum Kom­man­dan­ten von Aa­chen 1818;
  • Be­för­de­rung zum Ge­ne­ral­ma­jor am 19. Sep­tem­ber 1818;
  • die Ab­leh­nung sei­nes Wun­sches, preu­ßi­scher Ge­sand­ter in Lon­don zu wer­den 1819;
  • Be­ru­fung in den Ge­ne­ral­stab 6. Mai 1821;
  • die Aus­zeich­nung mit dem Dienst­kreuz 30. Ju­ni 1825;
  • Be­stä­ti­gung sei­nes Adels­ti­tels 30. Ja­nu­ar 1827.
    (Vergl. Pries­dorff, Bd. 5, S. 66, u.a.)

Dann end­lich, 1830, nach 15 Jah­ren tro­cke­nem ad­mi­nis­tra­ti­vem Dienst, wie­der ein Kom­man­do in der Trup­pe. In Bres­lau über­nahm Clau­se­witz die 2. Artillerieinspektion(ab 19.8.1830). Am 6.3.1831 wur­de Clau­se­witz zum Chef des Ge­ne­ral­sta­bes der an­läss­lich der pol­ni­schen Un­ru­hen ge­bil­de­ten preu­ßi­schen Ob­ser­va­ti­ons­ar­mee un­ter Gnei­se­nau in Po­sen ernannt.
(Vergl. Carl von Clau­se­witz Per­sön­lich­keit und Wir­kungs­ge­schich­te sei­nes Wer­kes bis 1918, Hg. U. Mar­we­del, H. Boldt Ver­lag, 1978, S. 45 bis 61)

Über die Hoff­nun­gen und Ent­täu­schun­gen, die Clau­se­witz in die­ser Zeit er­leb­te, ist in der Li­te­ra­tur aus­führ­lichst be­rich­tet wor­den. Gleich­wohl wol­len wir uns je­doch ei­ner An­ge­le­gen­heit noch ein­mal wid­men. Nach­dem Gnei­sen­aus Be­mü­hun­gen bei Har­den­berg ge­schei­tert wa­ren, Clau­se­witz für den »Staats­rath« zu emp­feh­len, er­öff­ne­te sich mit dem Di­rek­to­rat der Kriegs­schu­le ei­ne neue Per­spek­ti­ve. Die Wor­te Gnei­sen­aus wa­ren 1817 hoffnungsvoll.

»(…) Ih­re An­we­sen­heit in Ber­lin könn­te in so man­chem an­de­ren Be­tracht viel Gu­tes stif­ten, da durch Ih­re kla­re An­sicht der Din­ge und ih­re schar­fe Dia­lek­tik so man­che Haupt­grund­sät­ze un­se­res Kriegs­ge­bäu­des wie­der in Er­in­ne­rung ge­bracht und sieg­reich ver­foch­ten wer­den würden.(…)«
(Vergl. Brief Gnei­sen­aus an Clau­se­witz vom 29.9.1817, in Pertz/Delbrück, Gnei­se­nau, Bd. 5, S. 243)

Je­doch folg­te hier sehr schnell die Ent­täu­schung al­ler Hoff­nun­gen Clau­se­witz`, »Geist und Tat« ent­spre­chend ei­ner Be­teue­rung des Kriegs­mi­nis­ters ein­set­zen zu kön­nen. Des­il­lu­sio­nie­rend wa­ren für Clau­se­witz die Ab­leh­nung oder halb­her­zi­ge Be­rück­sich­ti­gun­gen von Denk­schrif­ten (in 1819), die sich mit Ver­bes­se­run­gen der Lehr­ge­gen­stän­de und der Qua­li­tät des Lehr­per­so­nals be­schäf­tig­ten. De­nen stimm­te der Kriegs­mi­nis­ter v. Boy­en wohl noch zu konn­te die­se je­doch nicht mehr rea­li­sie­ren hel­fen, da er selbst im Herbst 1819 aus dem Kriegs­mi­nis­te­ri­um aus­schied. Sehr zu sei­nem Ver­druss blieb Clausewitz:

»(…) der bes­se­re Por­tier an ei­ner An­stalt, de­ren geis­ti­ger Füh­rer er sein müß­te. Ein heim­li­cher Feldherr.(…)«
(Vergl. R. Baum­gardt, »Das Fun­da­ment. Schöp­fe­ri­sche Men­schen des XIX. Jahr­hun­derts«, Schnee­kluth in Darm­stadt 1941, S. 36)

Wir le­sen bei Mar­we­del so­gar den Be­griff »kalt­ge­stellt«
(Vergl. Carl von Clau­se­witz Per­sön­lich­keit und Wir­kungs­ge­schich­te sei­nes Wer­kes bis 1918, Hg. U. Mar­we­del, H. Boldt Ver­lag, 1978, S. 210)

Wir wis­sen, dass ihm die­ses Stel­lung im höchs­ten Gra­de zu­wi­der war, wie sein Ad­ju­tant Stei­ne­mann hinterließ.
(Vergl. Carl von Clau­se­witz Per­sön­lich­keit und Wir­kungs­ge­schich­te sei­nes Wer­kes bis 1918, Hg. U. Mar­we­del, H. Boldt Ver­lag, 1978, S. 50)

Be­son­ders zer­mür­bend muss für den glü­hen­den Pa­trio­ten ge­we­sen sein, sich nicht der Leh­re wid­men zu dür­fen. Die Un­ter­rich­tung der Söh­ne F. W. III., un­ter de­nen der spä­te­re »Sie­ger von Se­dan« war, konn­ten kein Er­satz für den Den­ker und Sol­da­ten Clau­se­witz mit sei­nen Am­bi­tio­nen sein. Die­ser [Clau­se­witz] mein­te, den Prin­zen ge­lang­weilt zu ha­ben, da die­ser [Kron­prinz Wil­helm] kaum In­ter­es­se zeigte.
(Vergl. Carl von Clau­se­witz Per­sön­lich­keit und Wir­kungs­ge­schich­te sei­nes Wer­kes bis 1918, Hg. U. Mar­we­del, H. Boldt Ver­lag, 1978, S. 54)

»(…) Der bes­te Theo­re­ti­ker der preu­ßi­schen Ar­mee, der am meis­ten his­to­ri­sche Kopf, der ge­nau­es­te Ken­ner al­ler mi­li­tä­ri­schen Er­eig­nis­se aus der Ver­gan­gen­heit wie aus der Ge­gen­wart wird mit Rech­nungs­lis­ten und In­ven­tar­pro­to­kol­len beschäftigt. (…)«
(Vergl. R. Baum­gardt, »Das Fun­da­ment. Schöp­fe­ri­sche Men­schen des XIX. Jahr­hun­derts«, Schnee­kluth in Darm­stadt 1941, S. 44)

So blieb Carl über lan­ge Jah­re ne­ben dem rei­nen ad­mi­nis­tra­ti­ven Dienst wohl nur noch der Rück­zug in sei­ne mi­li­tär­wis­sen­schaft­li­che Ar­beit. Wir wis­sen, die Ber­li­ner Zeit war den­noch die frucht­bars­te Schaf­fens­pe­ri­ode im Le­ben Clau­se­witz`. Sein Haupt­werk »Vom Krie­ge« konn­te Ge­stalt annehmen.

Mit Blick in die­se für Clau­se­witz »trost­lo­sen Zeit« – in dienst­li­cher Hin­sicht – kön­nen wir je­doch noch ein­mal an die Ge­samt­the­ma­tik an­schlie­ßen. Wahr­schein­lich 1819 ver­fass­te Clau­se­witz den Auf­satz: »Un­se­re Kriegs­ver­fas­sung«. Rund ei­ne De­ka­de spä­ter er­scheint Clausewitz´Schrift »Über die po­li­ti­schen Vort­hei­le und Nacht­hei­le der preu­ßi­schen Land­wehr«. Er wirft hier wich­ti­ge in­nen­po­li­ti­sche Pro­ble­me Preu­ßens nach 1815 noch ein­mal auf, die na­tür­lich auch die jü­di­sche Be­völ­ke­rung tan­giert ha­ben dürf­ten. Aus den Tex­ten er­ken­nen wir ei­ne ge­rad­li­ni­ge und kon­se­quen­te Hal­tung für die Bei­be­hal­tung der all­ge­mei­nen Wehr­pflicht (seit 1814) der Land­wehr und des Landsturmes.

»Über die po­li­ti­schen Vort­hei­le und Nacht­hei­le der preu­ßi­schen Land­wehr« (Quel­le: samm​lun​gen​.ulb​.uni​-muens​ter​.de – Se­rie Teil­nach­lass Clausewitz)

Wir kön­nen viel­leicht da­von aus­ge­hen, dass Clau­se­witz bei der For­de­rung nach Bei­be­hal­tung der Wehr­pflicht in Preu­ßen die jü­di­schen Bür­ger auf Grund der er­leb­ten Kriegs­er­fah­rung nicht aus­schlie­ßen woll­te. Ob­gleich die Pro­ble­ma­tik der Be­waff­nung und Ver­ei­di­gung jü­di­scher Sol­da­ten – wie wei­ter oben ge­schil­dert – auch ihm be­kannt ge­we­sen sein müss­te, wenn er schreibt:

»(…) Die Land­wehr­ein­rich­tung, in­dem sie ei­ne be­deu­ten­de Mas­se des Vol­kes, näm­lich et­wa ei­nen Drit­tel al­ler waf­fen­fä­hi­gen Män­ner, in re­gel­mä­ßi­ge Re­gi­men­ter zu­sam­men­stellt, ih­nen Of­fi­zie­re aus ih­rer Mit­te gibt und die Waf­fen in of­fe­nen Zeug­häu­sern un­ter ih­nen nie­der­legt, gibt of­fen­bar dem Vol­ke die Waf­fen in die Hände. (…)«
(Vergl. K. Schwartz, »Le­ben des Ge­ne­rals Carl von Clau­se­witz und der Frau Ma­rie von Clau­se­witz, geb. Grä­fin von Brühl«, Bd. 2, Ber­lin 1878, S. 288 bis 293)

Sehr deut­lich rech­net Clau­se­witz die mög­li­chen per­so­nel­len und ma­te­ri­el­len Vor­tei­le der Land­wehr vor:

»(…) Die Be­waff­nung des Vol­kes, d. h. die Land­wehr­ein­rich­tung, gibt ei­nen Wi­der­stand nach au­ßen, der durch kein ste­hen­des Heer er­reicht wer­den kann. (…)«
(Vergl. eben­da)

Mit dem fol­gen­den schla­gen­den Ar­gu­ment ent­waff­net Clau­se­witz all die­je­ni­gen – al­len vor­an sei­nen Kö­nig – die ge­gen die Land­wehr po­le­mi­sier­ten. Hier ma­ni­fes­tier­te er die stra­te­gi­sche Be­deu­tung der Land­wehr für Preußen.

»(…) Die Land­wehr ver­mehrt die Ge­fahr ei­ner Re­vo­lu­ti­on; die Ent­waff­nung der Land­wehr ver­mehrt die Ge­fahr ei­ner Invasion. (…)«
(Vergl. eben­da)

Vor­an­ge­gan­gen wa­ren Er­eig­nis­se in die­sem Zu­sam­men­hang – wir ver­wie­sen dar­auf – in des­sen Er­geb­nis Kriegs­mi­nis­ter v. Boy­en und Chef des Sta­bes v. Grol­man un­ter Pro­test zurücktraten. 

»(…) Tat­säch­lich for­der­te der Kö­nig Fried­rich Wil­helm III. im De­zem­ber 1819 ei­ne Re­or­ga­ni­sie­rung der Land­wehr, die Auf­lö­sung von vier­und­drei­ßig Ba­tail­lo­nen und in Frie­dens­zei­ten die Ein­glie­de­rung von sech­zehn Bri­ga­den als Li­ni­en­di­vi­sio­nen in das ste­hen­de Heer. Die Ent­schei­dung des Kö­nigs kenn­zeich­ne­te den Sieg der Re­ak­tio­nä­re über die Re­for­mer, die von ers­te­ren als Re­vo­lu­tio­nä­re be­han­delt wurden. (…)«
(Vergl. »Clau­se­witz Den Krieg den­ken«, Hg. Ray­mond Aron, Pro­py­lä­en, S. 68)

Sei­nen Auf­satz über die Vor – und Nach­tei­le der preu­ßi­schen Land­wehr schließt er mit ei­ner har­ten Kri­tik an die­je­ni­gen ab, die sich ge­gen die Re­for­men wendeten.

»(…) So mö­gen denn die Män­ner von 1806, wel­che das Heil in den ver­fal­le­nen For­men je­ner Zeit su­chen, all die Fra­gen, wel­che wir hier ge­tan ha­ben, ih­rem Ge­wis­sen red­lich vor­le­gen und dann die un­ge­heu­re Ver­ant­wort­lich­keit füh­len, daß sie mit fre­vel­haf­tem Leicht­sin­ne die viel­leicht nur in Tän­de­lei­en ge­üb­te Hand an die Zer­trüm­me­rung ei­nes Ge­bäu­des le­gen, auf dem un­ser groß­ar­ti­ges Schick­sal durch die Jah­re 1813, [18]14 und [18]15, wie ei­ne Sie­ges­göt­tin auf ih­rem Streit­wa­gen, ge­ruht hat. (…)« 
(Vergl. K. Schwartz, »Le­ben des Ge­ne­rals Carl von Clau­se­witz und der Frau Ma­rie von Clau­se­witz, geb. Grä­fin von Brühl«, Bd. 2, Ber­lin 1878, S. 288 bis 293)

In­wie­weit nun Clau­se­witz das Miss­trau­en und den Zwei­fel an der mo­ra­li­schen Zu­ver­läs­sig­keit jü­di­scher Land­wehr­män­ner durch ei­ni­ge staats­tra­gen­de da­ma­li­ge Prot­ago­nis­ten, die sich in der Prä­am­bel zum Eid der jü­di­schen Sol­da­ten wi­der­spie­geln, prin­zi­pi­ell teil­te, wer­den wir wohl nie erfahren.

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