Teil XII

Die Na­tio­nal­be­we­gung, ge­rich­tet ge­gen die na­po­leo­ni­sche He­ge­mo­ni­al­macht, hat­te wei­te Tei­le Eu­ro­pas, hier vor al­lem Preu­ßen, po­li­tisch, mi­li­tä­risch, öko­no­misch, re­li­gi­ös und na­tür­lich auch geis­tig in ei­ne nie zu­vor ge­se­he­ne Be­we­gung ge­bracht. Der Kampf der Ele­men­te des for­mel­len Fort­schrit­tes, ge­bracht durch die Fran­zö­si­sche Re­vo­lu­ti­on, mit den Er­schei­nun­gen des Des­po­tis­mus Na­po­le­ons, schlug sich un­mit­tel­bar in den Be­frei­ungs­krie­gen nie­der. Ei­nes der Ele­men­te die­ser Be­we­gung war die ein­ge­lei­te­te Eman­zi­pa­ti­on der preu­ßi­schen Ju­den, die ein­her ging mit ana­lo­gen Be­mü­hun­gen in na­he­zu al­len deut­schen Teil­staa­ten und Österreich.

Un­se­re Be­mü­hun­gen bis­her wa­ren dar­auf ge­rich­tet, den An­teil Carl von Clau­se­witz´ bzw. sei­ne per­sön­li­che Sicht zu Fra­gen der Ju­den in Preu­ßens dar­zu­stel­len. Wie wir bis­her ge­se­hen ha­ben, bie­tet die Quel­len­la­ge nicht viel, au­ßer die da­mals be­rech­tigt ge­äu­ßer­te Feind­schaft, den Kai­ser der Fran­zo­sen be­tref­fend, und ei­ne Rei­se­schil­de­rung, die über­wie­gend xe­no­phob for­mu­liert war. Für bei­de Fak­ten hat­ten wir ei­ne mög­li­che Er­klä­rung des­sen an­ge­bo­ten, oh­ne For­mu­lie­run­gen in In­halt und Form zu entschuldigen.

An die­ser Stel­le ver­su­chen wir ei­nen Zu­gang Clausewitz´zu der o. g. Na­tio­nal­be­we­gung zu fin­den. Zum Zeit­punkt der Krie­ge in den Jah­ren 1813/14/15 stand für den an­ge­hen­den Mi­li­tär­phi­lo­so­phen das Ele­ment der Volks­be­waff­nung im Vor­der­grund sei­ner ge­dank­li­chen Arbeit.

Clau­se­witz er­kann­te die Kraft, die ei­ner na­tio­na­len »Kampf­ge­mein­schaft« in­ne­wohnt, wenn die­se ge­weckt und ge­führt wird. Sei­ne In­ten­ti­on und die der füh­ren­den Re­for­mer des da­ma­li­gen preu­ßi­schen Mi­li­tär­we­sens war es, ei­ne ge­ne­rel­le mi­li­tär-po­li­ti­sche Ver­än­de­rung in Preu­ßen her­bei­zu­füh­ren. Das spie­gel­te sich in der »Ver­ord­nung über den Land­sturm« vom 21. April 1813 wi­der, die Scharn­horst und Gnei­se­nau vor­an­ge­trie­ben ha­ben und an der Clau­se­witz kei­nen ge­rin­gen ideel­len An­teil hat­te. Die­se Ver­ord­nung folg­te un­mit­tel­bar auf die »Ver­ord­nung über die Land­wehr« vom 17.03.1813, in der die Bil­dung ei­nes »Land­sturms« ge­for­dert und durch F. W. III ge­zeich­net wurde:

»(…) Preu­ßen! zu die­sem Zwe­cke ist es not­wen­dig, dass ei­ne all­ge­mei­ne Land­wehr aufs Schleu­nigs­te er­rich­tet und ein Land­sturm ein­ge­lei­tet werde. (…)«
(Vergl. epo­che na​po​le​on​.net/​q​u​e​l​l​e​n​/​1​813)

Ge­zeich­net durch F. W. III.

In der »Ver­ord­nung über den Land­sturm« heißt es:

»(…) Ver­ord­nung über den Land­sturm. Vom 21sten April 1813. Ich ha­be Mei­nem ge­treu­en Vol­ke die Voll­endung der Lan­des­be­waff­nung durch den Land­sturm ver­hei­ßen. Die Land­wehr ist, wie Ich mit dank­ba­rer An­er­ken­nung sol­ches Ei­fers und sol­cher An­stren­gun­gen er­fah­re, in al­len Pro­vin­zen für er­rich­tet an­zu­neh­men. Es soll da­her über­all so­fort zur Ein­rich­tung des Land­sturms mit der bis­he­ri­gen Thä­tig­keit ge­schrit­ten wer­den, da­mit der Feind, wie auch die Er­fol­ge Un­se­rer Waf­fen, die in Got­tes Hand lie­gen, seyn mö­gen, ge­wahr wer­de, daß ein Volk nicht be­siegt wer­den kann, wel­ches eins mit sei­nem Kö­ni­ge ist. (…)«
(Vergl. www​.​5​-preus​si​sche​-bri​ga​de​.de/​w​b​/​m​e​d​i​a​/​P​D​F​/​V​e​r​o​r​d​n​u​n​g​L​a​n​d​s​t​u​r​m​.​pdf)

In 85 § leg­te F. W. III. de­zi­diert Rol­le und Auf­ga­be ei­nes Land­stur­mes fest. Be­mer­kens­wert wie­der­um der § 1 des Er­las­ses, der auf die Ein­heit von Bür­ger und Staat ver­wies, wie wei­ter oben schon dargelegt:

»(…) Hat auch der An­grei­fer die Wahl des An­griffs-Punk­tes für sich, Va­ter­lands­lie­be, Aus­dau­er, Er­bit­te­rung, nä­he­re Hülfs­quel­len ge­ben, auf die Län­ge dem Vert­hei­di­ger das Ueber­ge­wicht. […] § 1 Je­der Staats­bür­ger ist ver­pflich­tet, sich dem an­drin­gen­den Fein­de mit Waf­fen al­ler Art zu wi­der­set­zen, sei­nen Be­feh­len und Aus­schrei­bun­gen nicht zu ge­hor­chen, und wenn der Feind sol­che mit Ge­walt bei­trei­ben will, ihm durch al­le nur auf­zu­bie­ten­de Mit­tel zu scha­den. […] Ein sol­ches Volk und sol­che An­stren­gun­gen seg­net Gott! Ge­ge­ben Bres­lau, den 21. April 1813. (…)«
(Vergl. www​.​5​-preus​si​sche​-bri​ga​de​.de/​w​b​/​m​e​d​i​a​/​P​D​F​/​V​e​r​o​r​d​n​u​n​g​L​a​n​d​s​t​u​r​m​.​pdf)

In der Pe­ri­ode der Be­frei­ungs­krie­ge spiel­ten na­tür­lich die Ideen des Ti­ro­ler Auf­stan­des im Jah­re 1908, der spa­ni­schen Gue­ril­la seit 1807 so­wie der Auf­stand in der Ven­deé 1793 bis 1796 ei­ne ent­schei­den­de Rol­le in den Ge­dan­ken der Re­for­mer. In Clau­se­witz´ Denk­schrift »Be­kennt­nis­schrift« von 1812 – wir ver­wie­sen be­reits dar­auf – spürt man förm­lich den pa­trio­ti­schen Wi­der­stands­geist. Auch der Phi­lo­soph J. G. Fich­te war von der Not­wen­dig­keit die­ses Krie­ges über­zeugt. Im Som­mer des Jah­res 1813 sprach er in ei­ner Vor­le­sung »über den Be­griff des wahr­haf­ten Krie­ges«. Fich­te stell­te die Fra­ge nach dem wahr­haf­ten Krieg in drei öf­fent­li­chen Vor­le­sun­gen dar. Dar­in for­mu­liert er, dass die­ser Krieg – ge­meint der jet­zi­ge von 1813 – kein Krieg der »Herr­scher­fa­mi­lie«, son­dern ein Krieg des Vol­kes sei. Nach den ver­schie­de­nen Edik­ten und Ver­ord­nun­gen des Kö­nigs von Preu­ßen im Zu­ge der Re­gie­rungs­re­for­men der Jah­re zu­vor for­mu­liert Fich­te, dass die Frei­heit »ei­nes je­den« be­droht sei:

»(…) Al­le sind frei, je­der für sei­nen Theil: al­le müs­sen drum ih­re Frei­heit selbst für ih­ren Theil vert­hei­di­gen. Kei­ne Stell­ver­tre­tung, wie in je­nem Systeme. (…)«
(Vergl. Fich­te, Jo­hann Gott­lieb »Über den Be­griff des wahr­haf­ten Krie­ges im Be­zug auf den Krieg im Jah­re 1813«, Re­print, Tü­bin­gen 1815 in Histo­ry, S. 32)

Fich­te kommt zur Erkenntnis:

»(…) Nur wenn der Krieg die­se Frei­heit er­bringt und nur wenn er zu die­sem Zwe­cke auch ge­führt wird, erst dann kann man von ei­nem wahr­haf­ten Krieg sprechen. (…)«
(Vergl. Fich­te »Die Staats­leh­re oder das Ver­hält­nis des Ur­staa­tes zum Ver­nunft­rei­che«“, Vor­le­sun­gen 1813)

Fich­tes For­mu­lie­run­gen stel­len ei­ne der sel­te­nen, nicht oft er­leb­ten Fäl­le dar, wo Wis­sen­schaft und Re­gie­rung über­ein­kom­men, da der Staat und die Be­hör­den mit ih­ren Edik­ten und Ver­ord­nun­gen den Krieg im Jahr 1813 als ei­nen »wahr­haf­ti­gen« er­klärt hat­te. (Vergl. Na­ti­on und Iden­ti­tät: die po­li­ti­schen Theo­lo­gien von Ema­nu­el Hirsch, A. Holz­bau­er, Mohr Sie­beck, Tü­bin­gen 2012, S. 76)

Fich­te trat sel­ber als Land­sturm­mann auf – Karikatur –
Quel­le de​.wik​is​our​ce​.org

Fich­te mel­de­te sich zur Land­wehr, er woll­te als Pre­di­ger fun­gie­ren, was je­doch ab­schlä­gig be­schie­den wur­de. Trotz­dem bot Fich­te mit dem Kol­le­gi­um der Ber­li­ner Uni­ver­si­tät ein his­to­risch an­mu­ti­ges und pa­trio­ti­sches Bild die­ser Zeit.

»(…) Da er im Fel­de kei­ne Ver­wen­dung fand, so wur­de er ein eif­ri­ges Mit­glied des sich bil­den­den Land­sturms, dem der Schutz des hei­mi­schen Her­des an­ver­traut war. Mit Fich­te tra­ten fast al­le Leh­rer der Ber­li­ner Hoch­schu­le in den Land­sturm ein, dar­un­ter Män­ner wie Butt­mann, Boekh, Sol­ger, Ne­an­der, Sa­vi­gny, Lich­ten­stein, Er­man, Zeu­ne und vor Al­len der be­rühm­te Schlei­er­machr. Fei­er­lich ver­ban­den sie sich zum Schut­ze für das Va­ter­land, und daß sie selbst den Tod nicht scheu­ten, be­weist das fol­gen­de in­ter­es­san­te Ac­ten­stück: „Da un­ter den ge­gen­wär­ti­gen Kriegs­ver­hält­nis­sen je­der tüch­ti­ge Mann der Ge­fahr aus­ge­setzt ist, bei Vert­hei­di­gung des Va­ter­lan­des sein Le­ben zu ver­lie­ren und sei­ne Fa­mi­lie hül­f­los zu hin­ter­las­sen, so ver­pflich­ten sich die Un­ter­zeich­ne­ten auf ihr Ge­wis­sen und ih­re Eh­re, falls ei­ner oder meh­re­re im Krie­ge um­kom­men soll­ten, für de­ren Hin­ter­blie­be­ne Wei­ber und Kin­der theils durch ei­ge­ne Bei­trä­ge, theils durch al­le mög­li­che Ver­wen­dung beim Staa­te, oder wo ir­gend Bei­hül­fe zu er­war­ten sein könn­te, der­ge­stalt zu sor­gen, daß die Sub­sis­tenz der­sel­ben ge­si­chert sei, es mag nun der Fa­mi­li­en­va­ter im Kamp­fe selbst oder als Op­fer des Krie­ges ver­stor­ben sein. Auf die Wei­se den eh­ren­vol­len Dienst für das Va­ter­land ein­an­der wech­sel­sei­tig zu er­leich­tern, ver­spre­chen die Un­ter­zeich­ne­ten fei­er­lich durch ih­re Unterschrift“. (…)«
(Vergl. »Fich­te und der Ber­li­ner Land­sturm«, Die Gar­ten­lau­be, Heft 25, S. 395 bis 397)

Für die Jah­re 1813/15 er­rech­ne­te Mar­tin Phil­ipp­son 1906, dass – be­zo­gen auf die da­mals rund 30.000 Ju­den, die in Preu­ßen leb­ten – al­lei­ne 444 Frei­wil­li­ge zur Fah­ne gin­gen, was ei­nem re­la­ti­ven An­teil von 1,43% ent­sprach. Hier­bei nicht ge­rech­net die­je­ni­gen Ju­den, die of­fi­zi­ell kon­skri­biert wur­den. Die vor­han­de­nen Ge­samt­zah­len sind sehr un­ter­schied­lich und wur­den spä­ter nach den Krie­gen im­mer wie­der an­ge­zwei­felt. Die Zah­len der Frei­wil­li­gen dürf­ten ins­ge­samt nicht ge­nau sein, weil vie­le jun­ge Män­ner bei der Aus­he­bung ih­re jü­di­sche Her­kunft ver­schwie­gen hat­ten. Zu­mal die Stamm­rol­len 1813 bis 1814 nicht sehr aus­sa­ge­kräf­tig wa­ren oder gar fehl­ten. Erst 1815 trat dann ei­ne Bes­se­rung ein.

Ein frü­he­rer jü­di­scher Kriegs­frei­wil­li­ger pro­tes­tier­te am 19. No­vem­ber 1843 in der »Vos­si­schen Zei­tung« ge­gen fal­sche An­ga­ben, die jü­di­schen Frei­wil­li­gen betreffend:

»(…) Vie­le jü­di­sche Frei­wil­li­ge hät­ten sich über­haupt nicht als Ju­den zu er­ken­nen ge­ge­ben. Der Ein­sen­der ha­be in dem De­tache­ment frei­wil­li­ger Jä­ger des 3. Ost­preu­ßi­schen Land­wehr­re­gi­ments ge­dient und dort wä­ren al­lein ge­gen 30 Ju­den ge­we­sen. […] vie­le Ju­den zo­gen es aus leicht be­greif­li­chen Grün­den vor, sich als „evan­ge­lisch“ zu bezeichnen. (…)«
〈Vergl. »Die jü­di­schen Frei­wil­li­gen im preu­ßi­schen Hee­re wäh­rend der Be­frei­ungs­krie­ge 1813/1814«, Prof. Dr. Mar­tin Phil­ipp­son, Zeit­schrift im deut­schen Reich, 1906, Ber­lin, Nr. 7/8)

Wo se­hen wir nun den wei­te­ren Ein­fluss Clau­se­witz´ auf die Pro­ble­ma­tik der Eman­zi­pa­ti­on der Ju­den in Preu­ßen? Wir ge­hen in un­se­rer Be­trach­tung da­von aus, dass der Of­fi­zier im Dienst der rus­si­schen und dann wie­der in der preu­ßi­schen Ar­mee die Kriegs­er­eig­nis­se der Kam­pa­gnen 1813 bis 1815 ge­nau be­ob­ach­te­te und be­gann, die­se für sei­ne spä­te­re geis­ti­ge Ar­beit zu verarbeiten.

Als ge­si­chert soll­ten wir an­neh­men, dass Clau­se­witz nicht ge­gen den Dienst jü­di­scher Bür­ger im preu­ßi­schen Heer un­ter den Be­din­gun­gen des Krie­ges ge­stan­den hat. Eher schloss er sich Scharn­horst, Gnei­se­nau, Boy­en, Grol­mann, Har­den­berg und Stein an, die je­den ein­zel­nen Bür­ger Preu­ßens an der Waf­fe se­hen woll­ten wenn­gleich wohl vor­erst doch wohl nur tem­po­rär für die Dau­er der Ge­fahr­ab­wen­dung bis zum fi­na­len Sieg über Na­po­le­on. Nach 1815 hat­ten die Re­for­mer so gut wie kei­nen Ein­fluss mehr auf die­se wich­ti­ge Fra­ge und den Ver­lauf des be­gon­nen We­ges. Das Ziel, die Land­wehr als stän­di­ges selbst­stän­di­ges Ele­ment ne­ben den Li­ni­en­trup­pen zu hal­ten, scheiterte.

In sei­nem Haupt­werk »Vom Krie­ge« wird Clau­se­witz die Er­fah­run­gen der Krie­ge 1813 bis 1815 ver­ar­bei­tet ha­ben und die Ele­men­te des Krie­ges, wie er­lebt, be­schrei­ben. So for­mu­liert er, der Krieg, wäre:

»(…) nicht nur ein wah­res Cha­mä­le­on, weil er in je­dem kon­kre­ten Fal­le sei­ne Na­tur et­was än­dert, son­dern er ist auch sei­nen Ge­samt­erschei­nun­gen nach in Be­zie­hung auf die in ihm herr­schen­den Ten­den­zen ei­ne wun­der­li­che Drei­fal­tig­keit, zu­sam­men­ge­setzt aus der ur­sprüng­li­chen Ge­walt­sam­keit sei­nes Ele­ments, dem Haß und der Feind­schaft, die wie ein blin­der Na­tur­trieb an­zu­se­hen sind, aus dem Spiel der Wahr­schein­lich­kei­ten und des Zu­falls, die ihn zu ei­ner frei­en See­len­tä­tig­keit ma­chen, und aus der un­ter­ge­ord­ne­ten Na­tur ei­nes po­li­ti­schen Werk­zeu­ges, wo­durch er dem blo­ßen Ver­stan­de anheimfällt. (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Kap.I, 28. Re­sul­tat für die Theo­rie, Ver­lag MFNV, Ber­lin 1957, S. 36)

Wie wir Clau­se­witz ver­ste­hen kön­nen, han­del­ten in den Krie­gen 1813/14/15 das Volk, die Feld­her­ren und das Heer, der Staat und die Re­gie­rung for­mal zu­sam­men. Dem­nach wa­ren die Be­frei­ungs­krie­ge ei­ne ge­samt­ge­sell­schaft­li­che Er­schei­nung von ganz be­son­de­rer Be­deu­tung. Ei­ne Stern­stun­de in der deut­schen Ge­schich­te, mit Leucht­kraft bis in die Ge­gen­wart. Das Spiel der Kräf­te des Krie­ges, Hass und Feind­schaft als blin­der Na­tur­trieb, im Spiel der frei­en See­len­tä­tig­keit und der nicht be­re­chen­ba­ren Frik­tio­nen, der die Trup­pen mit ih­ren Heer­füh­rern ver­band, war nicht nur ei­ne (militär)politische Frage.

An­ders als in den Krie­gen der An­ci­en Ré­gime spiel­ten Geist, Kul­tur und Mo­ral der Trup­pen und des Vol­kes ei­ne ent­schei­den­de Rol­le. Die neue Stra­te­gie und Tak­tik der Mi­li­tärs, die po­li­ti­sche Mo­bi­li­sie­rung durch Re­gie­rung und die geis­tig kul­tu­rel­le Ebe­ne in Preu­ßen kenn­zeich­ne­te die er­bit­ter­ten mi­li­tä­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen die­ser Zeit. Es ge­lang die Bil­dung ei­nes Kampf­bun­des un­ter Ein­schluss der jü­di­schen Staats­bür­ger, der letzt­end­lich auch zum Er­folg des Jah­res 1815 ent­schei­dend beitrug.

Das Jahr 1814 sah Clau­se­witz ab­seits der gro­ßen krie­ge­ri­schen Er­eig­nis­se. Schon die Völ­ker­schlacht bei Leip­zig 1813 ver­lief oh­ne sei­ne Be­tei­li­gung. Sein Kampf­platz war mit der Rus­sisch-Deut­schen Le­gi­on un­ter Wall­mo­den, spä­ter Deut­schen Le­gi­on, das nörd­li­che Kriegs­thea­ter. Auch im fol­gen­den Jahr war er nicht in der Nä­he von Blü­cher und Gnei­se­nau. Zu sei­nem Be­dau­ern wa­ren ihm mi­li­tä­ri­sche Lor­bee­ren wie­der­um versagt.

Erst die Er­eig­nis­se des Jah­res 1815 sa­hen Clau­se­witz in ei­ner her­vor­ge­ho­be­nen mi­li­tä­ri­schen Po­si­ti­on. Un­ter Ge­ne­ral von Thiel­mann (∗1765; †1824) als Ge­ne­ral­stabs­chef des III. Korps führ­te Clau­se­witz die Trup­pen er­folg­reich im hin­hal­ten­den Kampf ge­gen das 30.000 Mann star­ke Korps des fran­zö­si­schen Mar­schalls Grouchy (∗1766; †1847) und trug da­mit zum Er­folg Wel­ling­tons und Blü­chers bei Wa­ter­loo bei. Korps­chef Thiel­mann stell­te sei­nem Stabs­chef zu­nächst un­ter dem 31.08.1815 ein gu­tes Zeug­nis aus:

»(…) Er füllt sei­nen Pos­ten mit gro­ßer Aus­zeich­nung, ist ein Mann von eben­so­viel Geist als mo­ra­li­schem Wert und steht im Ge­ne­ral­stab ganz an sei­nem Platze. (…)«
(Vergl. Pries­dorff, Füh­rer­tum, Bd. 5, S. 68)

Al­ler­dings wi­der­spricht sich Thiel­mann spä­ter, als er Clau­se­witz für den mehr oder we­ni­ger un­glück­li­chen Rück­zug des III. Ar­mee­korps am 19. Ju­ni 1815 ver­ant­wort­lich mach­te. (Vergl. Clausewitz´eigene Dar­stel­lung: Feld­zug von 1815, 1835, S .130 ff.) Thiel­manns Nach­tre­ten ist so un­sach­lich wie un­fair und ei­nes Kom­man­die­ren­den un­wür­dig. Je­der hö­her aus­ge­bil­de­te Mi­li­tär wird be­stä­ti­gen, dass die Ver­ant­wor­tung für ei­nen Ent­schluss im­mer beim Kom­man­die­ren­den liegt, der die Ent­schluss­vor­la­gen sei­nes Stabs­chefs ent­we­der an­nimmt, ge­ge­be­nen­falls kor­ri­gie­ren oder – wenn not­wen­dig – ver­wer­fen muss.

Da­von konn­te Thiel­mann sich nicht im Nach­hin­ein los­sa­gen. Je­doch muss­te die­se Mei­nung Thiel­manns, dem Kö­nig zu Oh­re kom­mend, ein neu­er Bau­stein des Miss­trau­ens wer­den. Ein er­neu­ter Ver­such, ein Kom­man­do über ei­ne Trup­pe zu be­kom­men, wur­de kö­nig­lich ab­ge­wie­sen. So hieß es in ei­ner Ab­leh­nung des Königs:

»(…) Ich kann Ihr Ge­such vom 1. die­ses, Sie in der Li­ni­en­in­fan­te­rie wie­der an­zu­stel­len, jetzt nicht er­fül­len, bin aber über­zeugt, daß Sie je­den Pos­ten, wel­chen ich ih­nen über­tra­ge, zu mei­ner Zu­frie­den­heit aus­fül­len wer­den, und er­mah­ne Sie da­her, der Ih­nen ge­ge­be­nen Be­stim­mung mit Zu­ver­sicht auf ih­ren Ei­fer für den Dienst ent­ge­gen zu gehen. (…)«
(Vergl. Pries­dorf, Füh­rer­tum, Bd.5, S. 68)

Ab­leh­nung, Lob und vor­aus­ei­len­de miss­traui­sche Mah­nung, … der Preu­ßen­kö­nig war ein selt­sa­mer Päd­ago­ge. Clau­se­witz wird bis zu sei­nem To­de da­mit le­ben müssen.

Wa­ter­loo 1815, Er­stür­mung Plan­cenoits durch die Preußen
Quel­le: wi­ki­me­dia commons)

Wa­ter­loo am 18. Ju­ni 1815 – Na­po­le­on ist be­siegt und end­gül­tig ge­schla­gen. An die­sem denk­wür­di­gen Tag in der Schlacht von Wa­ter­loo kämpf­ten rund 68.000 Bri­ten und ver­bün­de­te Kon­tin­gen­te ge­mein­sam mit et­wa 45.000 Preu­ßen ge­gen die Trup­pen des na­po­leo­ni­schen Frank­reichs mit ei­ner Stär­ke von 72.000 Mann und be­sieg­ten die­se. Am Abend die­ses Ta­ges la­gen rund 50.000 Män­ner tot oder ver­wun­det auf der nur 2,5 Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ßen Wal­statt. Dar­un­ter auch 10.000 Pfer­de. Die Preu­ßen hat­ten wie­der­um et­wa 7.000 Mann ver­lo­ren. Die Zahl der be­tei­lig­ten preu­ßi­schen Ju­den an die­ser Schlacht ist heu­te nicht mehr an­nä­hernd zu ve­ri­fi­zie­ren. Am An­fang un­se­rer Be­trach­tung ver­wie­sen wir auf Fol­gen­des: »Al­lein in der Schlacht von Bel­le-Ali­ance fie­len 55 jü­di­sche Artilleristen«. 

Die Tra­gik die­ser Ge­schich­te ist: Schon die jü­di­schen Sol­da­ten der Krie­ge 1813 bis 1815, so wie ih­re Ka­me­ra­den in den spä­te­ren Krie­gen, wur­den nach und nach ver­ges­sen. Nur in ganz we­ni­gen Aus­nah­me­fäl­len wur­de ihr Ein­satz ge­büh­rend ge­wür­digt. Von An­be­ginn der Eman­zi­pa­ti­on wa­ren jü­di­sche Sol­da­ten »Ka­me­ra­den zwei­ter Klas­se«. Die von Kö­nig und Staat ver­spro­che­nen Er­leich­te­run­gen wur­den nicht ge­währ­leis­tet und be­reits in Kraft ge­tre­te­ne teil­wei­se zu­rück­ge­nom­men. Ih­re Teil­ha­be an der Be­frei­ung Preu­ßens wur­de be­reits nach dem Kriegs­en­de be­zwei­felt. Nicht sel­ten wur­de ih­nen vor­ge­wor­fen, sie sei­en »Drü­cke­ber­ger«.

Den ge­blie­be­nen jü­di­schen Sol­da­ten der Krie­ge von 1813 bis 1815 sei an die­ser Stel­le noch ein­mal das To­ten­ge­bet »El ma­le racha­mim« (Gott vol­ler Er­bar­men) gewidmet.

El Ma­le Rachamim
Gott vol­ler Erbarmen

»Gott vol­ler Erbarmen,in den Him­mels­hö­hen thronend,
es sol­len fin­den die ver­dien­te Ruhestätte
un­ter den Flü­geln Dei­ner Gegenwart,
in den Rän­gen der Hei­li­gen, der Rei­nen und der Helden
strah­lend wie der Glanz des Himmels,
die See­len der Gefallenen …..«

Es ist Zeit, noch ein­mal auf un­se­ren Frei­wil­li­gen, Land­wehr­mann Aa­ron, zu­rück­zu­kom­men. Viel­leicht sah sei­ne Heim­kehr nach den Krie­gen so aus wie auf dem nach­fol­gen­den Bild des Ma­lers Mo­ritz Da­ni­el Op­pen­heim (∗1880; †1882) dargestellt.
(Mo­ritz Da­ni­el Op­pen­heim war ein deut­scher Por­trät- und His­to­ri­en­ma­ler, der ne­ben Por­träts auch häu­fig Mi­lieu­stu­di­en in Öl mal­te. Er gilt als ers­ter jü­di­scher Ma­ler, der ei­ne welt­wei­te Be­kannt­heit erreichte.)

Heim­kehr des jü­di­schen Freiwilligen
Quel­le: Wikipedia

In den ab­schlie­ßen­den Be­trach­tun­gen wer­den wir noch ein­mal ver­su­chen, Clau­se­witz im Ver­lauf der wei­te­ren Ge­schich­te der »Eman­zi­pa­ti­on« der Ju­den in Preu­ßen zu folgen.

Fort­set­zung Teil XIII

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