Teil V

Zur öko­no­misch be­grün­de­ten Judenfeindschaft

Seit dem Mit­tel­al­ter leb­ten die Ju­den in Eu­ro­pa und so­mit auch in Preu­ßen in ei­ner auf­ok­troy­ier­ten Be­rufs­struk­tur, die sie aus hand­werk­li­chen Zünf­ten aus­schloss, ih­nen Grund­be­sitz ver­wehr­te und den Zu­gang zum Mi­li­tär und Staats­dienst aus­schloss. Wei­ter oben wur­de das schon er­wähnt. Das be­wuss­te Hin­ein­drän­gen in Fel­der des Fi­nanz­sys­tems, in Han­del und Geld­ver­leih (sie­he Hirsch) führ­te zu ei­ner wei­te­ren Ab­son­de­rung der Ju­den vom üb­ri­gen Volk der Län­der. Dar­an än­der­te auch das oben er­wähn­te »Ge­ne­ral-Re­gle­ment« F. II. so gut wie nichts. Le­dig­lich die Vor­tei­le wuss­te der Peu­ßen­kö­nig für sich zur Fi­nan­zie­rung sei­nes sie­ben­jäh­ri­gen Krie­ges und zum Pa­lais-Bau in Ber­lin zu nutzen.

»(…) ein Ka­pi­tel aus ei­nem sei­ner­zeit po­pu­lä­ren his­to­ri­schen Ro­man der Schrift­stel­le­rin Loui­se Mühl­bach (ei­gentl. Cla­ra Mundt, 1814 bis 1873), Fried­rich der Gro­ße und sein Hof; es heißt „Der Kron­prinz und der Ju­de“ und schil­dert ei­ne Au­di­enz Vei­tel Hei­ne Ephra­ims bei Kron­prinz Fried­rich in Rheins­berg. Die li­te­ra­ri­sche Ge­stal­tung die­ser Sze­ne durch die Au­torin Mühl­bach zeigt ei­nen Ju­den, der ab­hän­gig ist von den Lau­nen des Kron­prin­zen, der aber auch selbst­be­wußt auf­zu­tre­ten und sein Recht ein­zu­for­dern weiß. Auf der an­de­ren Sei­te steht ein stol­zer, aber schließ­lich doch ein­sich­ti­ger Kron­prinz: Wenn er kann, steht er zu sei­nen Ver­pflich­tun­gen. Die Au­torin ver­sucht, das un­gleich­ge­wich­ti­ge Ver­hält­nis der bei­den fik­tio­nal zu ge­stal­ten. Die Sze­ne ist frei er­fun­den, ba­siert aber auf his­to­ri­schem Quel­len­stu­di­um der Schrift­stel­le­rin: so könn­te ei­ne Be­geg­nung der bei­den ab­ge­lau­fen sein. (…)«
(Vergl. Gom­perz, Ephra­im, It­zig – Er­folg und Be­drü­ckung der »Hof­ju­den« Fried­richs II. Vor­trag, Tho­mas Bre­chen­ba­cher, ephra​im​-vei​tel​-stif​tung​.de)

Vei­tel Hei­ne Ephra­im, der Va­ter von Ephra­im Vei­tel, prä­sen­tiert dem Kron­prin­zen Fried­rich II zwi­schen 1736 bis 1740 in Rheins­berg ei­ne Schuldenurkunde/Abb. aus ei­ner ver­schol­le­nen Handschrift.
Quel­le :ephra­im – vei­te l- stif​tung​.de

Im Ver­lau­fe des 18. Jahr­hun­derts, nach­dem das Ge­ne­ral-Re­gle­ment wirk­sam wurde:

»(…) war die Furcht, die auch schon sei­ne Vor­gän­ger ge­äu­ßert hat­ten, die Ju­den könn­ten Über­hand neh­men und für die christ­li­chen Ein­woh­ner und Kauf­leu­te ei­ne un­ge­mei­ne Be­drü­ckung dar­stel­len bzw. ih­nen Scha­den zu­fü­gen. 1743 wa­ren statt der vor­ge­se­he­nen 120 jü­di­schen Fa­mi­li­en 333 [knapp 2.000 Per­so­nen] in Ber­lin an­säs­sig. Die Zahl stei­ger­te sich bis 1784 auf 3.670 Ju­den bei ei­ner Ge­samt­ein­woh­ner­zahl von 145.000, was ei­nem An­teil von ca. 2,5% aus­mach­te [Breu­er 1996, 147]. (…)«
(Vergl. »Ju­den in Bran­den­burg«, 1671 bis 1871, Ire­ne A. Diek­mann, bran​den​bur​gi​kon​.net)

Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ent­wi­ckel­te sich das Ver­hält­nis der Ju­den zum Preu­ßi­schen Adel um die Jahr­hun­dert­wen­de zum 19. Jhd. be­son­ders pro­ble­ma­tisch. Im ers­ten Teil un­se­rer Dar­le­gung wur­de auf Staats­rat Jo­hann Hein­rich Schmed­ding und Fried­rich Leo­pold Reichs­frei­herr von Schröt­ter ver­wie­sen. Der Ent­wurf »Über die bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se der Ju­den in Preu­ßen« (1808) war auf die sich ent­wi­ckeln­de jü­di­schen Be­völ­ke­rungs­zahl be­zo­gen, die sich zu­neh­mend mit ei­ner be­ab­sich­tig­ten wirt­schaft­li­chen Gleich­stel­lung der Ju­den in ei­ne neue, zeit­lich be­grenz­te (nach Schmed­ding) Kon­kur­renz­si­tua­ti­on für die christ­li­che Ein­woh­ner­schaft Preu­ßens entwickelte.
(Vergl. da­zu, Stein­acker, Carl: Eman­zi­pa­ti­on der Ju­den. In: Rotteck/Welcker, Staats-Le­xi­kon, Bd. 5, 1837)

Wir wol­len uns hier in un­se­rem Text vor­ran­gig auf das preu­ßi­sche Of­fi­ziers­korps kon­zen­trie­ren, dem Carl von Clau­se­witz an­ge­hör­te. Der deut­sche Adel vor 1815 ließ sich in drei ver­ti­kal ge­dach­te Ebe­nen unterteilen:

»(…) 1. in den Hoch­adel, […] 2. in den Rit­ter­adel, […] 3. in den Land­adel: Er ent­stamm­te in Preu­ßen we­der der Reichs­rit­ter­schaft noch dem Hoch­adel. In Preu­ßen wur­de er haupt­säch­lich durch das Of­fi­zier­korps ge­bil­det. Die ade­li­gen Of­fi­zie­re be­sa­ßen die Rit­ter­gü­ter und da­mit die Ge­richts­bar­keit, die Jagd­ge­rech­tig­keit und das Kirchenpatronat. (…)«
(Vergl. Ma­ri­on Schul­te, Preus­si­sche Of­fi­zie­re über Ju­den­tum und Eman­zi­pa­ti­on 1.1. Der preus­si­sche Rittergutsadel)

Ein nam­haf­ter Ver­tre­ter der 3. Ebe­ne war Ge­ne­ral­leut­nant Fried­rich Au­gust von der Mar­witz (∗1777; †1837). Preu­ßi­scher Of­fi­zier in »Op­po­si­ti­on und Ge­hor­sam« (Gün­ter de Bruyn), Nef­fe des Ge­ne­ral­ma­jors Jo­hann Fried­rich Adolf von der Mar­witz (*1723 ; †1781), der bei »Fried­rich dem Gro­ßen« in Un­gna­de fiel, weil er sich wei­ger­te, das er­beu­te­te Jagd­schloss zu Hu­ber­tus­burg zu plün­dern. ( »Wähl­te Un­gna­de, wo Ge­hor­sam nicht Eh­re brachte.«)

Friedrich August Ludwig von der Marwitz
Quelle: Wikipedia

1880 cha­rak­te­ri­sier­te der His­to­ri­ker Hein­rich von Treit­sch­ke eben die­sen Fried­rich Au­gust von der Mar­witz als:

»(…) Ur­bild des bran­den­bur­gi­schen Jun­kers«, der vol­ler „feu­ri­ger Va­ter­lands­lie­be, aber auch voll har­ter Vor­ur­tei­le, so na­iv in sei­nem Stan­des­stol­ze, daß er an die recht­li­che Mei­nung sei­nes Geg­ners kaum zu glau­ben vermochte“ (…)«
(Vergl. Lud­wig von der Mar­witz, www. epo­che – na​po​le​on​.net)

Von der Mar­witz op­po­nier­te ge­gen die Re­for­men, die von Stein ein­ge­lei­tet und von Har­den­berg wei­ter­ge­führt wur­den. So pro­tes­tier­te er 1811 mit sei­ner Denk­schrift »Letz­te Vor­stel­lung der Stän­de von Le­bus und Bees­kow-Stor­kow an den Kö­nig« und for­der­te die Auf­he­bung der ein­ge­lei­te­ten Reformen.

Für von der Mar­witz be­stand ein Wi­der­spruch zwi­schen den wohl not­wen­di­gen öko­no­mi­schen Ver­än­de­run­gen und den al­ten tra­di­tio­nel­len, auf mo­ra­li­schen Prin­zi­pi­en auf­ge­bau­ten Stän­de­ord­nun­gen. Als Land­ad­li­ger wand­te er sich ge­gen die Auf­he­bung der alt­her­ge­brach­ten Erb­un­ter­tä­nig­keit der Bau­ern. Er fürch­te­te, dass das stän­dig wach­sen­de fi­nanz­kräf­ti­ge Bür­ger­tum die Rit­ter­schaft von ih­ren an­ge­stamm­ten Gü­tern ver­drän­gen wer­de. Seit Jahr­hun­der­ten lag die Macht des preu­ßi­schen Adels im Grund­be­sitz. Die­se Be­fürch­tun­gen be­stä­tig­ten sich zu­neh­mend. For­schun­gen ha­ben nach­ge­wie­sen, dass z. B. in der da­ma­li­gen Kur­mark die An­zahl der Rit­ter­gü­ter, die in bür­ger­li­chen Be­sitz über­gin­gen, von 32 im Jahr 1740 auf 62 im Jahr 1807 ge­stie­gen war. So­mit wa­ren 1807
8.7 % der kur­mär­ki­schen Rit­ter­guts­be­sit­zer bürgerlich.
(Vergl. R. Schil­ler, »Vom Rit­ter­gut zum Groß­grund­be­sitz «, Hg. R. Schil­ler, Aka­de­mie Ver­lag, 203, Ta­bel­le S. 42 ) 

Die Ge­dan­ken der Land­ad­li­gen und Of­fi­zie­re Preu­ßens er­ken­nen wir nachfolgend:

»(…) Wenn Mar­witz in der „Letz­ten Vor­stel­lung“ dem Kö­nig in schwar­zen Far­ben aus­malt, in wel­che Ab­grün­de die Re­for­men den Staat stür­zen wer­den, steht am En­de die düs­te­re Zu­kunfts­vi­si­on, dass »un­ser al­tes, ehr­wür­di­ge Bran­den­burg-Preu­ßen ein neu­mo­di­scher Judenstaatwird. (…)«
(Vergl. »Mär­ki­scher Dich­ter­gar­ten« Gün­ter de Bruyn »Fried­rich Au­gust Lud­wig von der Mar­witz – Nach­rich­ten aus mei­nem Le­ben 1770 – 1808«, S. 324) 

Auch in den Ber­li­ner »Sa­lon­krei­sen« wur­den die­se Pro­ble­me spä­ter Ge­gen­stand der Ge­sprä­che, wenn um Ge­rüch­te, die wach­sen­de ver­mö­gen­de Schicht der Ju­den in der Bür­ger­schaft Preu­ßens be­tref­fend, po­le­mi­siert wur­de. So schrieb Ca­ro­li­ne von Hum­boldt an Wil­helm von Humboldt:

»(…) Die Mas­se des Ver­mö­gens ist in ih­ren Hän­den und es ist ei­ne der Ur­sa­chen, war­um der sehr drü­cken­de In­dult auf­recht er­hal­ten wird, um ei­ni­ger­ma­ßen zu ver­hü­ten, daß nicht noch mehr Gü­ter in ih­re Hän­de kom­men, weil bei der Auf­he­bung des­sel­ben al­ler­dings noch vie­le Gü­ter wer­den müs­sen ver­äu­ßert werden. (…)«
(Quel­le: Ca­ro­li­ne von Hum­boldt an Wil­helm von Hum­boldt (19. April 1816), Ha­zel Ro­sentrauch, »Wahl­ver­wandt und eben­bür­tig« S. 214)

Eben­so wand­te sich von der Mar­witz ge­gen die Re­form­be­stre­bun­gen in­ner­halb der preu­ßi­schen Ar­mee. Die Öff­nung des tra­di­tio­nel­len Be­stan­des des preu­ßi­schen Of­fi­ziers­korps, ge­stellt durch den Adel, lehn­te er strikt ab. Eben­so ist al­so an­zu­neh­men, dass von der Mar­witz da­mit ge­gen die Eman­zi­pa­ti­on der Ju­den und de­ren Zu­las­sung zum Mi­li­tär­dienst war. Mit sei­nem Pro­test war von der Mar­witz nicht al­lein. Lan­des­weit kam es zu Ent­rüs­tun­gen, wie z. B. in Kö­nigs­berg, wo

»(…) wür­di­ge Her­ren vom Ho­fe, vom Land­adel, von der Ar­mee, al­le­samt tief ent­rüs­tet über „das Nat­ter­ge­zücht“ der Reformer (…)«

wa­ren.

»(…) Nie­mand dort schalt grim­mi­ger als Ge­ne­ral Yorck: der sah die stren­ge Zucht aus der Welt ver­schwin­den, sah die Zeit ge­kom­men, wo je­der Fähn­rich an sei­nen Obers­ten zum Mar­quis Po­sa wer­den wollte. (…)«
(Vergl. Hein­rich von Treit­sch­ke »Deut­sche Ge­schich­te im 19. Jahr­hun­dert«, 1934, Krö­ner, Leip­zig, Bd. 1 , S. 213)

Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen in der da­ma­li­gen preu­ßi­schen Ge­sell­schaft wa­ren ein­ma­lig im Ver­gleich mit vor­an­ge­gan­ge­nen schwie­ri­gen Zei­ten. Der nass­for­sche Auf­tritt des von der Mar­witz, Land­mar­schall der Le­bu­ser Stän­de sei­nes Zei­chens, mit sei­ner Denk­schrift »Letz­te Vor­stel­lung der Stän­de von Le­bus und Bees­kow-Stor­kow an den Kö­nig« brach­te (1811) ihm den Zorn von Har­den­bergs ein.

»(…) so daß er schließ­lich Mar­witz, den trot­zi­gen Wort­füh­rer der alt­stän­di­schen-feu­da­len Par­tei Bran­den­burgs, nach Span­dau auf die Fes­tung brin­gen ließ. (…)«
(Vergl. Hein­rich von Treit­sch­ke »Deut­sche Ge­schich­te im 19. Jahr­hun­dert«, 1934, Krö­ner, Leip­zig Bd. 1 , S. 269)

Dort saß er ge­mein­sam mit Graf Fried­rich Lud­wig Karl Fink von Fin­cken­stein, dem Mit­un­ter­zeich­ner der »Le­bu­ser Denk­schrift«, für run­de fünf Wo­chen ein.

Gün­ter de Bruyn (∗1926; †2020) for­mu­lier­te die­sen Um­stand so:

»(…) Bei der Ver­haf­tung geht es zwar nicht ge­setz­mä­ßig, aber stan­des­ge­mäß zu. […] ei­ne Haft­dau­er ist nicht fest­ge­legt […] Im Kel­ler des Ju­li­us­turms zu schmach­ten, wie vier­hun­dert Jah­re vor­her Diet­rich von Quit­zow, brauch­ten die­se ad­li­gen Em­pö­rer nicht. (…)«

Sie konn­ten sich in­ner­halb der Fes­tung frei be­we­gen, konn­ten sich sel­ber ver­pfle­gen und lit­ten kei­ne gro­ße Not.

»(…) Über den Fens­tern in ei­nem Bo­gen­feld prang­te das Wap­pen der Ho­hen­zol­lern, mit dem Spruch­band des eng­li­schen Ho­sen­band­or­dens ge­ziert: „Ho­ni soit qui mal y pen­se“ (Be­schämt sei, wer schlecht dar­über denkt) (…)«
(Vergl. »Mär­ki­scher Dich­ter­gar­ten«, Gün­ter de Bruyn »Fried­rich Au­gust Lud­wig von der Mar­witz – Nach­rich­ten aus mei­nem Le­ben 1770 – 1808«, S. 315 bis 318)

Gleich­wohl hat­te Mar­witz in der Not pro­mi­nen­te Ka­me­ra­den im Adel und im Bür­ger­tum, die zu ihm stan­den, ob­gleich z. B. Gnei­se­nau des­sen An­sich­ten nicht teilte.

»(…) Ich will die­sen aus dem un­glück­li­chen Krie­ge (1806) her mir acht­bar ge­wor­de­nen Mann in sei­nem Un­glück nicht verl­äug­nen und wer­de ihn dem­nach besuchen. (…)« 

schrieb er an Hardenberg 
(Vergl. »Mär­ki­scher Dich­ter­gar­ten«, Gün­ter de Bruyn »Fried­rich Au­gust Lud­wig von der Mar­witz – Nach­rich­ten aus mei­nem Le­ben 1770 – 1808«, S. 315 bis 318

Der Pa­tri­ot Mar­witz eil­te je­doch 1813 wie­der wie 1806 zu den Fah­nen, bil­de­te im Raum Bees­kow ei­ne Bri­ga­de der »Kur­mär­ki­schen Land­wehr« und nahm mit ihr er­folg­reich an der le­gen­dä­ren »Kol­ben­schlacht am Ha­gel­berg« am 27. Au­gust 1813 bei Bel­zig teil. Da­für er­hielt er das »Ei­ser­ne Kreuz I. Klas­se«. Für die Kam­pa­gne 1815, wo er bei Li­gny ei­ne Ka­val­le­rie­bri­ga­de führ­te, wur­de er mit dem »Pour le Me­ri­te« aus­ge­zeich­net. Mar­witz wur­de Ge­ne­ral­ma­jor und de­ch­ar­chier­te 1827 als an­ge­se­he­ner kri­ti­scher Of­fi­zier aus dem preu­ßi­schen Mi­li­tär­dienst. Das Schluss­wort sei­nes Kö­nigs war:

»(..) Im­mer nach Grund­sät­zen gehandelt! (…)«
(Vergl. »Mär­ki­scher Dich­ter­gar­ten«, Gün­ter de Bruyn »Fried­rich Au­gust Lud­wig von der Mar­witz – Nach­rich­ten aus mei­nem Le­ben 1770 – 1808«, S. 346) 

Theo­dor Fon­ta­ne (∗1819; †1898) setz­te die­sem Men­schen li­te­ra­risch ein Denkmal.

»(…) Die Mar­wit­ze ha­ben dem Lan­de man­chen bra­ven Sol­da­ten, man­chen fes­ten Cha­rak­ter ge­ge­ben, kei­nen aber bra­ver und fes­ter, als Fried­rich Au­gust Lud­wig von der Mar­witz, des­sen Auf­tre­ten ei­nen Wen­de­punkt in un­se­rem staat­li­chen Le­ben be­deu­tet. Erst von Mar­witz´ Zei­ten ab exis­tiert in Preu­ßen ein po­li­ti­scher Meinungskampf. (…)«
(Vergl. Theo­dor Fon­ta­ne »Wan­de­run­gen durch die Mark Bran­den­burg« – Fried­rich Au­gust von der Mar­witz –, Hg, B. Pe­ters­dorf, Jo­ker, S. 387)

Die Kol­ben­schlacht bei Ha­gel­berg 27.08.1813, Knötel
Quel­le: Wi­ki­me­dia commons)

Un­ser Carl von Clau­se­witz hat sich of­fen­sicht­lich aus die­ser »öko­no­mi­schen Dis­kus­si­on« her­aus­ge­hal­ten. Je­den­falls ist nicht be­kannt, dass das an­ders ge­we­sen wä­re. Das in zwei­er­lei Hin­sicht: Zum ei­nen konn­te er nur zwei­fel­haf­te »Adels­wur­zeln“ nach­wei­sen, zum an­de­ren ge­hör­te er auch nicht zum pri­vi­le­gier­ten »Geld­adel«, der um sei­ne Pfrün­de im Zu­ge der Re­for­men in Preu­ßen fürch­ten musste.

Clau­se­witz hielt nichts von »Ver­schwö­run­gen«, wie ein Brief an Ma­rie vom 21. Mai 1809 aus Kö­nigs­berg zeugt. Dar­in äu­ßert sich Clau­se­witz zu dem in Kö­nigs­berg seit 1808 tä­ti­gen »Tu­gend-Bund«, mit dem wir uns spä­ter noch be­fas­sen werden.

»(…) Ich ken­ne die­se Ge­sell­schaft nicht und ha­be auch nicht die min­des­te Lust, teil an ge­hei­men Ver­bin­dun­gen der Art zu ha­ben, die mir al­le zu­wi­der sind; (…)«
(Vergl. »Carl und Ma­rie von Clau­se­witz«, Briefe,Hg, Ot­to Heusche­le, S. 162)

Clau­se­witz war sich auch, wie wei­ter oben schon be­schrie­ben, un­si­cher, was sei­nen Adels­stand be­traf. Er war sich aber si­cher sei­ner pre­kä­ren fi­nan­zi­el­len Si­tua­ti­on be­wusst, der er nur mit Mü­he lang­sam ent­rin­nen konn­te. Clau­se­witz‘ äl­tes­ter Bru­der Vol­mar Carl Fried­rich be­schrieb 1794 in ei­nem Brief an Kö­nig FW II., in dem er um Er­neue­rung des Adels der Clau­se­witz´ bat, da­bei die Geld­not sei­nes Vaters.

»(…) Im Na­men mei­nes Va­ters und mei­ner üb­ri­gen Ge­schwis­ter fle­he ich da­her Ew. Kö­nigl. Ma­jes­tät fuß­fäl­ligst an, die al­ler­höchs­te Gna­de zu ha­ben, un­se­ren Adel al­ler­gnä­digst zu er­neu­ern und die Do­ku­men­te dar­über, da mein Va­ter blut­arm ist, frei von Stem­pel­ge­büh­ren an­fer­ti­gen zu lassen. (…)«
(Vergl. Bern­hard Thü­ne-Schoen­born »Die Fa­mi­lie Claus(e)witz in Burg 1753 bis 1824 und ih­re Vor­fah­ren 1633 bis 1772« For­schungs­be­richt …. Burg 2020, S. 50)

Thü­ne-Schoen­born be­merk­te dazu:

»(…) Das Ge­such wur­de ignoriert. (…)«
(eben­da)

Clausewitz´persönliche fi­nan­zi­el­le La­ge än­der­te sich erst, als er sich aus sei­ner Ad­ju­tan­ten­stel­lung beim Prin­zen Au­gust lö­sen und als »wirk­li­cher Ca­pi­taine« sei­ne Stel­lung im »Kriegs­mi­nis­te­ri­um« bei Scharn­horst an­tre­ten konn­te. Am 23. Fe­bru­ar 1809 schreibt er an Marie:

»(…) Mit mei­nem Avance­ment ist auch ei­ne sehr er­wünsch­te Ver­bes­se­rung mei­nes Ge­hal­tes ver­bun­den; ich wer­de, so­lan­ge die Ab­zü­ge dau­ern, 900 Ta­ler jähr­lich ha­ben; hö­ren die Ab­zü­ge aber auf, frei­lich ein Zeit­punkt, der nicht viel bes­ser als ima­gi­när ist, so ha­be ich 1300 und mit ei­ni­gen Emo­lu­men­ten zwi­schen 1400 und 1500 Taler. (…)«
(Vergl. »Carl und Ma­rie von Clau­se­witz – Ein Le­bens­bild in Brie­fen und Ta­ge­buch­blät­tern«, von Karl Lin­ne­bach, Hg. K. Lin­ne­bach, Bln. 1916, S. 2149)

In­wie­weit Carl von Clau­se­witz je­doch die Schrift des Staats­ra­tes Jo­hann Gott­fried Hoff­mann (∗1765; †1847) – Mit­glied der »Ge­setz­lo­sen Ge­sell­schaft zu Ber­lin« – aus dem Jahr 1809 teil­te, ist uns nicht bekannt.

»(…) Der Fa­brik­un­ter­neh­mer, der Grund­be­sit­zer ist ein Wu­che­rer […] Der Krä­mer, der von ei­nem ein­fäl­ti­gen Kun­den den dop­pel­ten Preis nimmt, der Ju­de, der den Stu­den­ten Geld zu Bäl­len und Schlit­ten­fahr­ten borgt, ist ein Wucherer (…)« 
(Vergl. Hoff­mann, Jo­han Gott­fried (*1765 † 1847) Denk­schrift das Mo­ra­to­ri­um be­tref­fend (3. No­vem­ber 1809), in preu­ßi­sche Fi­nanz­po­li­tik 1806 – 1810, Quel­len be­ar­bei­tet und Hg. durch Schiss­ler & Weh­ler, Göt­tin­gen 1984, S. 489)

Der Ju­de Hirsch aus Burg, der dem Va­ter Clau­se­witz Geld für sei­nen Haus­bau lieh und den Be­trag mit 5% ver­zins­te, kann wohl nicht zu den ge­schmäh­ten jü­di­schen Wu­che­rern die­ser Zeit ge­zählt wer­den. Pe­ku­niä­re Grün­de dürf­ten für Carl von Clau­se­witz von der Sa­che her nicht vor­ge­le­gen ha­ben, die sei­ne of­fen­sicht­li­che Re­ser­viert­heit ge­gen­über Ju­den be­grün­den könn­ten. Gleich­wohl, wir wer­den es im wei­te­ren Ver­lauf un­se­rer Be­trach­tung noch se­hen: Clau­se­witz war nicht frei von Res­sen­ti­ments ge­gen­über den preu­ßi­schen Juden.

Fort­set­zung Teil VI

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