Teil IV

Die Zeit des Be­su­ches der Kriegs­schu­le bis hin zum Er­leb­nis der Nie­der­la­ge im Krieg von 1806 war ge­prägt durch um­fang­rei­che Stu­di­en ver­schie­de­ner Be­rei­che der Ge­schichts­li­te­ra­tur, Kriegs­ge­schich­te und Phi­lo­so­phie so­wie Fra­gen der Kultur.

»(…) In sei­nen frü­hen Schrif­ten fin­den sich Hin­wei­se auf Au­toren wie Ma­chia­vel­li, Mon­tai­gne, Mon­tes­quieu, Ro­bert­son, Jo­han­nes von Mül­ler und Gentz (…)«
(Vergl. Pe­ter Pa­ret »Clau­se­witz und der Staat«, Düm­ler 1993, S. 109)

Er­staun­li­cher­wei­se er­schei­nen in die­ser Auf­zäh­lung die Na­men von Vol­taire, Jean-Jac­ques Rous­se­au, Sta­nis­las de Cler­mont-Ton­ner­re oder Paul Hen­ri Thiry d´Holbach nicht. Denn die­se Ver­tre­ter der Auf­klä­rung hat­ten sich mit den Fra­gen des Ju­den­tums in Eu­ro­pa be­schäf­tigt. Das mag dem noch re­la­tiv jun­gen Al­ter Clau­se­witz´ zu­ge­rech­net wer­den. Ge­wis­ser­ma­ßen ent­schul­di­gend, führt Pe­ter Pa­ret in die­sem Zu­sam­men­hang an:

»(…) Von 1803 bis zur Kri­se der Jah­re 1805 und 1806 zieht sich durch Clausewitz´politische Be­trach­tun­gen ei­ne gleich­blei­ben­de In­ter­pre­ta­ti­on der Si­tua­ti­on Eu­ro­pas […] Doch wenn Clau­se­witz ver­such­te, sei­ne Ideen auf das zen­tra­le Pro­blem zu über­tra­gen, zeig­te er sich un­fä­hig, die Schwie­rig­kei­ten zu lö­sen, die der Ent­wick­lung ei­ner wirk­sa­men Po­li­tik im We­ge standen (…)«
(Vergl. Pe­ter Pa­ret »Clau­se­witz und der Staat«, Düm­ler 1993, S. 107) 

Carl las die mi­li­tä­ri­schen Wer­ke Fried­rich II., si­cher auch sei­nen »An­ti­ma­chia­vell« (1740) und muss da­bei auch auf Vol­taire und Rous­se­au ge­sto­ßen sein. Ob­wohl der 27-jäh­ri­ge Of­fi­zier, ein Ge­fan­ge­ner Na­po­lé­ons, in ei­nem Brief an Ma­rie ein­räum­te, we­nig über Vol­taire zu wis­sen. Auf der Rei­se nach Pa­ris hielt sich Clau­se­witz zu­sam­men mit dem Prin­zen Au­gust ei­ni­ge Aben­de in der Ge­sell­schaft an­ge­se­he­ner Da­men in Sois­sons auf und be­klag­te sei­ne Wis­sens­de­fi­zi­te, die fran­zö­si­sche Li­te­ra­tur betreffend.

«(…) Sois­sons, den 16. März 1807. […] Prinz Au­gust, der mit dem Kin­der­brei der fran­zö­si­schen Li­te­ra­tur groß ge­wor­den ist, spricht dar­über wie ein Pri­ma­ner im Ex­amen und da ist kein Buch von der Tra­gö­die bis zu den un­sterb­li­chen Spie­le­rei­en des ai­m­a­blen Bouf­flers, wo­von er nicht we­nigs­tens die Stel­le an­zu­ge­ben wüss­te, die es in der Li­te­ra­tur ein­nimmt […] Welch ei­ne Rol­le ich da­bei spie­le, schä­me ich mich zu sa­gen; […] denn ich weiß kaum, wer Corn­eil­le, Ra­ci­ne und Vol­taire waren, (…)«
(Vergl. »Carl und Ma­rie von Clau­se­witz – Brie­fe«, Hg. Ot­to Heusche­le, S. 73)

Vol­taire ( *21. No­vem­ber 1694 in Pa­ris; †30. Mai 1778)
Quel­le: dlf

Ja­cob Katz (∗1904; †1998) über Vol­taire: »(…) Mehr als je­der an­de­re hat Vol­taire das ra­tio­na­lis­ti­sche Den­ken ge­formt, das die eu­ro­päi­sche Ge­sell­schaft da­zu brin­gen soll­te, auch die Stel­lung der Ju­den zu verbessern (…)«
(Vergl. Ja­cob Katz »Vom Vor­ur­teil bis zur Ver­nich­tung – der An­ti­se­mi­tis­mus 1700 bis 1933«, Uni­on Ver­lag Bln. 1990, S .41)

Wir wis­sen aus den Quel­len, dass Fried­rich II. schon als Kron­prinz in Rheins­berg ei­nen re­gen Brief­ver­kehr mit Vol­taire pflegte.

»(…) Die The­men des Brief­wech­sels zu Be­ginn des Kon­takts sind laut Wal­ter Mönch aber nicht nur „Spra­che und Li­te­ra­tur“, son­dern auch „Phi­lo­so­phie und Me­ta­phy­sik“ und „Po­li­tik und Mo­ral“. Der Prinz be­spricht mit Vol­taire eben­so an­ge­regt Po­li­ti­sches und Phi­lo­so­phi­sches, das ihn antreibt. (…)«
(Vergl. Mönch, Wal­ter. Vol­taire und Fried­rich der Groß­se: Das Dra­ma ei­ner denk­wür­di­gen Freund­schaft. Ei­ne Stu­die zur Li­te­ra­tur, Po­li­tik und Phi­lo­so­phie des XVIII. Jahr­hun­derts, Stutt­gart, Ber­lin 1943, S. 11.)

Zwei­fel­los wirk­ten sich die­se Kor­re­spon­den­zen auch auf die Staats­füh­rung Fried­richs aus. Das be­trifft auch Vol­tairs Sicht auf das Ju­den­tum. So hob er das »Ge­ne­ral-Re­gle­ment« von 1730 sei­nes Va­ters Fried­rich Wil­helm I. (Kö­nig von 1713 bis 1740) zwar auf, aber nur um 1750 als Kö­nig von Preu­ßen mit der Ka­bi­netts-Or­der »Re­vi­dier­tes Ge­ne­ral-Pri­vi­le­gi­um und Re­gle­ment« die Ju­den in sechs Klas­sen ein­zu­tei­len. Die obers­te Klas­se, die »Ge­ne­ral­pri­vi­le­gier­ten«, be­sa­ßen ei­nen Schutz­brief, der Nie­der­las­sung ein­räum­te. Ei­ner da­von war der oben schon ge­nann­te Bur­ger Ju­de Se­lig Hirsch, der dem Va­ter Clausewitz´Geld für den Haus­bau lieh.

»Re­vi­dier­tes Ge­ne­ral-Pri­vi­le­gi­um und Re­gle­ment« von 1750
Quel­le: Jü­di­sche Ge­schich­te und Kultur

Wei­ter oben ist be­reits be­reits dar­ge­stellt wor­den, dass die­ses Re­gle­ment durch F. W. III. am 11. März 1812 mit dem »Edikt be­tref­fend die bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se der Ju­den in dem Preu­ßi­schen Staa­te« auf­ge­ho­ben wur­de und so­mit für die Zeit der Be­frei­ungs­krie­ge – in den Jah­ren von 1813 bis 1815 – den Frei­wil­li­gen­dienst preu­ßi­scher Ju­den ermöglichte.

Prä­gend für die Po­le­mik über die Ju­den in Preu­ßen wa­ren al­so Vol­taire, Ros­se­au, Ba­ron d´Holbach, Ab­bé Mau­ry, Comte de Cler­mont, die Ver­tre­ter der fran­zö­si­schen Auf­klä­rung und Re­vo­lu­ti­on. Für Preu­ßen steht der pro­tes­tan­ti­sche Pre­di­ger Jo­han Hein­rich Schulz, der bei­de Denk­rich­tun­gen, die deut­sche und die fran­zö­si­sche, ver­ei­nen wollte.
(Vergl. »Fich­tes Idee der Na­ti­on und das Ju­den­tum«, H.-J. Be­cker, S. 38 ff.)

In der ge­sam­ten Dis­kus­si­on über den Sta­tus der Ju­den in Eu­ro­pa und Preu­ßen vor und nach der fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on stand ei­ne Kar­di­nal­fra­ge zur De­bat­te. Wie hal­ten die Fürs­ten und Staa­ten es mit den Men­schen- und Bür­ger­rech­ten jü­di­scher Menschen?

Es ist nicht un­se­re In­ten­ti­on, hier in die­sem Text al­le Grund­aus­sa­gen der Den­ker die­ser Zeit zu die­sem The­ma dar­zu­stel­len. Es wür­de un­se­re Dar­stel­lung spren­gen. Gleich­wohl wol­len wir die­se Fra­ge strei­fen, um den Grund­te­nor die­ser Zeit für Preu­ßen dar­zu­stel­len, der für das da­ma­li­ge preu­ßi­sche Mi­li­tär­we­sen in der Zeit der be­gon­ne­nen Ju­den­eman­zi­pa­ti­on im Zu­ge der preu­ßi­schen Mi­li­tär­re­form kenn­zeich­nend war.

Im Grun­de ging es so­wohl den fran­zö­si­schen als auch den preu­ßi­schen Den­kern um die Vor­aus­set­zung, Ju­den die Bür­ger­rech­te ein­zu­räu­men. Dem stand die da­mals weit ver­brei­te­te Auf­fas­sung ent­ge­gen, die Ju­den wür­den ei­nen »Staat im Staa­te« dar­stel­len und die­sen leben.

Vol­taire ver­öf­fent­lich­te in ei­nem Es­say im »Dic­tion­aire phi­lo­so­phi­que« (1745) folgendes:

»(…) Sie wer­den in den Ju­den […] nur ein un­wis­sen­des und bar­ba­ri­sches Volk tref­fen, das schon seit lan­ger Zeit die schmut­zigs­te Hab­sucht mit dem ver­ab­scheu­ungs­wür­digs­ten Aber­glau­ben und dem un­über­wind­lichs­ten Hass ge­gen­über al­len Völ­kern ver­bin­det, die sie dul­den und an de­nen sie sich bereichern. (…)«
(Vergl. H.-J. Be­cker, »Fich­tes Idee der Na­ti­on und das Ju­den­tum«, S.39)

Es ist mög­lich, dass die­se Wor­te durch Jo­hann Gott­lieb Fich­te (∗1762; †1814) re­zi­piert wur­den und in sei­ner ei­ge­nen Kri­tik ge­gen­über dem Ju­den­tum ein­flie­ßen ließ. So u. a. in » Bei­trä­ge zur Be­rich­ti­gung der Urt­hei­le des Pu­bli­cums über die fran­zö­si­sche Re­vo­lu­ti­on« von 1793, wor­in er den Adel, die Kir­che und die Ju­den scharf an­greift. De­zi­diert schrieb Fich­te, die Ju­den be­tref­fend, u. a.:

»(…) Fast durch al­le Län­der Eu­ro­pas ver­brei­tet sich ein mäch­ti­ger, feind­se­lig ge­sinn­ter Staat, der mit al­len üb­ri­gen im be­stän­di­gen Krie­ge steht, und der in man­chen fürch­ter­lich schwer auf die Bür­ger drückt; es ist das Ju­dent­hum. Ich glau­be nicht, und ich hof­fe es in der Fol­ge dar­zut­hun, daß das­sel­be da­durch, daß es ei­nen ab­ge­son­der­ten und so fest ver­ket­te­ten Staat bil­det, son­dern da­durch, daß die­ser Staat auf dem Haß des gan­zen mensch­li­chen Ge­schlechts auf­ge­baut ist, so fürch­ter­lich werde. (…)«
(Vergl. Fich­te Wer­ke 1797 bis 98. S. 191 bis 193 oder Fich­te W. Bd. 6, S. 149)

Jo­hann Gott­lieb Fich­te (∗19. Mai 1762; †27. Ja­nu­ar 1814)
Quel­le: Wikipedia

Die­se zwei Zi­ta­te ge­ben den An­lass an­zu­neh­men, dass so­wohl Vol­taire als auch Fich­te in ih­ren Schrif­ten ei­nen An­ti­ju­da­is­mus of­fen­le­gen, der zu ih­rer Zeit vor­ran­gig noch re­li­gi­ös ge­prägt war. Der uns heu­te be­kann­te Be­griff An­ti­se­mi­tis­mus ent­wi­ckel­te sich aus der Auf­klä­rung her­aus je­doch erst um 1878, als der Ras­sis­mus in Deutsch­land mit all sei­ner bit­te­ren Kon­se­quenz über­hand nahm. Wir wer­den se­hen, dass der zu Clau­se­witz´ Zei­ten zu be­mer­ken­de An­ti­ju­da­is­mus deut­lich drei For­men er­ken­nen lässt, die sich auch im preu­ßi­schen Of­fi­ziers­korps die­ser Zeit wi­der­spie­geln, auf die wir nach­fol­gend ein­ge­hen wer­den. Das war die vor­herr­schen­de »re­li­giö­se Ju­den­feind­schaft«, die »öko­no­misch be­grün­de­te Ju­den­feind­schaft« und am En­de die »ras­sis­tisch mo­ti­vier­te Judenfeindschaft«.

Ka­ri­ka­tur auf der Ti­tel­sei­te von Èdouard Dru­monts an­ti­se­mi­ti­scher Zeit­schrift La Lib­re Pa­ro­le (1893). Dar­ge­stellt ist ein Ju­de, Hän­de und Fü­ße vol­ler Geld, der sich an die Erd­ku­gel klam­mert. Die Bild­un­ter­schrift lau­tet »Leur pa­trie« – ihr Va­ter­land.
Quel­le: Wikipedia

Wir wer­den aber auch se­hen, dass die Eman­zi­pa­ti­on der Ju­den in Preu­ßen letzt­end­lich ei­ne po­li­ti­sche Eman­zi­pa­ti­on war, die je­doch kei­nen Be­stand hat­te und mit Be­ginn der Re­stau­ra­ti­on ab 1815 schritt­wei­se wie­der auf­ge­ho­ben wurde.

Be­trach­ten wir die drei gro­ßen deut­schen Den­ker Kant, Fich­te und He­gel, die al­le drei Ein­fluss auf das Den­ken von Clau­se­witz hat­ten, so se­hen wir, dass zu­nächst die Wi­der­sprü­che zwi­schen christ­li­cher und jü­di­scher Re­li­gi­on im Vor­der­grund ste­hen. Scharf kri­ti­siert wur­de vor al­lem durch Fich­te die Or­tho­do­xie in der jü­di­schen Re­li­gi­on, die für ei­ne jahr­hun­der­te­al­te Ab­schot­tung des jü­di­schen Vol­kes sorg­te. Die jü­di­schen Vor­schrif­ten, die Mitz­wot (Ge­bot im Ju­den­tum, das von der tal­mu­di­schen Li­te­ra­tur in der To­ra be­nannt wird oder aber auch von Rab­bi­nern fest­ge­legt wor­den sein könn­te, Wi­ki­pe­dia), sind heu­te noch fes­te Be­stand­tei­le des jü­disch-or­tho­do­xen Glau­bens. Ne­ben 10 Ge­bo­ten gibt es wei­te­re 613 Mitz­wot – dar­un­ter 365 Ver­bo­te und 248 Ge­bo­te – die in der Tho­ra ste­hen und die from­me Ju­den in ihr Le­ben da­mals und heu­te in­te­grie­ren. Be­son­ders der Che­rem. (Der Che­rem, der Bann, be­zie­hungs­wei­se sei­ne An­dro­hung dien­te der Durch­set­zung rab­bi­ni­scher De­kre­te, aber auch dem Aus­schluss von Ket­zern, Ab­trün­ni­gen und an­de­ren Men­schen, die nach Mei­nung der jü­di­schen Au­to­ri­tä­ten durch ihr Ver­hal­ten das Ju­den­tum in Miss­kre­dit brach­ten. www​.jue​di​sche​-all​ge​mei​ne​.de/​g​l​o​s​s​a​r​/​c​h​e​r​em/) sorg­te für all­ge­mei­ne Ab­leh­nung des Ju­den­tums. Die Hand­ha­bung die­ser re­li­giö­sen Prak­ti­ken, die sich teil­wei­se in ei­ner ei­ge­nen jü­di­schen Ge­richts­bar­keit dar­stell­ten, führ­ten zu der Dik­ti­on, dass die Ju­den »Staat im Staat« dar­stel­len wür­den. Über al­lem stand dann noch der jahr­hun­der­te­al­te Vor­wurf des Chris­tus­mor­des und die Ver­nei­nung Je­sus als Mes­si­as, was in der Be­haup­tung mün­de­te, das der Gott der Chris­ten nicht der der Ju­den sei. Kant, Fich­te und He­gel wa­ren da­her der Mei­nung, dass der christ­li­chen Re­li­gi­on der Vor­zug ge­gen­über der jü­di­schen ein­zu­räu­men sei.

To­ra,
Quel­le: http://​www​.ju​den​tum​-pro​jekt​.de/​r​e​l​i​g​i​o​n​/​t​o​ra/

Fich­te hielt die or­tho­do­xe Pra­xis der Ju­den sei­ner Zeit als das vor­ran­gi­ge tren­nen­de Ele­ment im Zu­sam­men­le­ben der Chris­ten und Ju­den im Staa­te Preu­ßen. Er brach das auf den Satz

»(…) den Kör­per und Geist er­schlaf­fen­de Han­dels­tä­tig­keit […] das sie für ihn ei­nen »Staat im Staa­te« bildeten.(…)«
(Vergl. »Fich­tes Idee der Na­ti­on und das Ju­den­tum . ….«, H.-J. Be­cker, S. 42)

her­un­ter.

Die­se Kri­tik be­zog sich bei Fich­te nicht aus­schließ­lich auf das Ju­den­tum, son­dern auch auf Kir­che, Adel, Zünf­te und Mi­li­tär, die je­de Ka­te­go­rie für sich »Staat im Staa­te« nach sei­ner Auf­fas­sung wa­ren. Fich­te be­merk­te dazu:

»(…) Wenn ein Stand dem all­ge­mei­nen Ge­richts­ho­fe ent­zo­gen und vor ei­nen be­son­de­ren ge­führt wird, wenn Ge­set­ze die­ses Ge­richts­ho­fes von den all­ge­mei­nen Ge­set­zen al­ler Sitt­lich­keits­ehr ver­schie­den sind und mit stren­ger Här­te be­stra­fen, was vor die­sen kaum ein Feh­ler ist und Ver­ge­hun­gen über­se­hen, die die­se streng ahn­den wür­den: so er­hält die­ser Stand ein ab­ge­son­der­tes In­ter­es­se und ei­ne ab­ge­son­der­te Mo­ral, und wird ein ge­fähr­li­cher Staat im Staate. (…)«
(Vergl. »Fich­tes Idee der Na­ti­on und das Ju­den­tum . ….«, H.-J. Be­cker, S. 43)

Hier an die­ser Stel­le wer­fen wir ei­nen wei­te­ren Blick auf die Re­for­men des Preu­ßi­sche Staa­tes und des Hee­res un­ter Har­den­berg, Scharn­horst, Gnei­se­nau, Boy­en, Grol­man und an­de­re. Wo die Re­for­men des Staa­tes und im Mi­li­tär­we­sen sich ex­pli­zit auch mit der »Ju­den­eman­zi­pa­ti­on« be­fass­ten. Clau­se­witz be­schäf­tig­te sich mit den Schrif­ten und Re­den Fich­tes. So auch mit den »Re­den an die Deut­sche Na­ti­on«, die Fich­te im Win­ter 1807/08 im fran­zö­sisch be­setz­ten Ber­lin ge­hal­ten hatte.

Am 15. April 1808 schrieb Clau­se­witz an Marie:

»(…) Den Fich­te ha­be ich in man­chen Din­gen sehr gut ge­fun­den; […] Was er über Be­stim­mung des Men­schen­ge­schlechts und über Re­li­gi­on ge­sagt hat, ist sehr in mei­nem Ge­schmack; über­haupt wür­de mir ein phi­lo­so­phi­scher Kur­sus bei ihm viel Ver­gnü­gen ma­chen, wenn jetzt Zeit da­zu wä­re; denn er hat ei­ne Art des Rä­son­ne­ments, die mir sehr ge­fällt, und al­le Ten­denz zum spe­ku­la­ti­ven Rä­so­nie­ren, die in mir ist, fühl­te ich bei die­ser Lek­tü­re auf­ge­weckt und von neu­em an­ge­regt. (…) «
(Vergl. »Carl und Ma­rie von Clau­se­witz – Brie­fe«, Hg. Ot­to Heusche­le, S. 123)

Die Re­de, auf die sich Clau­se­witz be­zieht, be­fasst sich mit der Er­kennt­nis, dass die po­li­ti­sche Un­ab­hän­gig­keit und Selbst­stän­dig­keit der Deut­schen als Na­ti­on den bür­ger­li­chen Na­tio­nal­staat vor­aus­setzt. In Fich­tes Re­den su­chen wir ei­nen Be­zug auf die Ju­den Preu­ßens in­ner­halb ei­nes deut­schen Na­tio­nal­staa­tes ver­geb­lich. Fich­te spricht vom »Volk der le­ben­di­gen Spra­che« der Ger­ma­nen, schließt aber das jü­di­sche Volk da­bei aus. Die Wir­kung die­ser Re­den fin­den wir auch im Den­ken von Marx wie­der, als er sich 1843 mit der Kri­tik zu Bau­er »Zur Ju­den­fra­ge« befasste.
(Vergl. Karl Marx, »Zur Ju­den­fra­ge«, MEW 1, Ber­lin 1978)

Spä­ter, in den Jah­ren 1811/12, wird Clau­se­witz Fich­te in der »Christ­lich-Deut­schen Tisch­ge­sell­schaft« (Die Deut­sche Tisch­ge­sell­schaft wur­de am 18. Ja­nu­ar 1811 vom Dich­ter Achim von Ar­nim und dem Staats­theo­re­ti­ker Adam Hein­rich Mül­ler in Ber­lin ge­grün­det) be­geg­net sein, auf die wir spä­ter noch aus­führ­lich zu­rück­kom­men wer­den. Die Ver­bin­dung Clau­se­witz´ mit die­ser Ge­sell­schaft wirft ei­nen Blick auf mög­li­che Ge­dan­ken­gän­ge, Ju­den­fra­ge und Eman­zi­pa­ti­on betreffend.

Fort­set­zung Teil V

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