Teil 7

Fa­zit

Bei der Be­trach­tung des Phä­no­mens »hy­bri­der Krieg« kom­men wir na­tür­lich auf Clau­se­witz zu­rück und neh­men im­mer wie­der zur Kenntnis:

»So se­hen wir al­so, daß der Krieg nicht bloß ein po­li­ti­scher Akt, son­dern ein wah­res po­li­ti­sches In­stru­ment ist, ei­ne Fort­setzung des po­li­ti­schen Ver­kehrs, ei­ne Durch­füh­rung dessel­ben mit an­de­ren Mit­teln.«21

»… Die po­li­ti­sche Ab­sicht ist der Zweck, der Krieg ist das Mit­tel und nie­mals kann das Mit­tel oh­ne Zweck ge­dacht wer­den.«22

In der Mensch­heits­ge­schich­te wa­ren und sind Krie­ge bis zum heu­ti­gen Ta­ge Mit­tel zur Durch­set­zung au­ßen­po­li­ti­scher Inter­essen. Da­bei spie­len in der Ge­gen­wart geo­po­li­ti­sche In­ter­es­se ei­ne im­mer grö­ße­re Rolle.

Nach den Krie­gen, die die Welt im 20. Jahr­hun­dert über­ste­hen muss­te und dem Patt im »kal­ten Krieg«, her­vor­ge­ru­fen durch das welt­um­fas­sen­de Ver­nich­tungs­po­ten­ti­als der Kern­waf­fen, die ei­ne Po­li­tik nach ei­nem glo­ba­len Kern­waf­fen­krieg ob­so­let ge­macht hät­te, trans­for­miert sich der Krieg selber.

Ähn­li­che Er­schei­nun­gen wie die bei­den Welt­krie­ge des 20. Jahr­hun­derts mit rund 55 Mil­lio­nen to­ten Sol­da­ten und Zivilis­ten und bei­spiel­lo­sen Zer­stö­run­gen wä­ren heu­te der Weltbe­völkerung nicht mehr vermittelbar.

Ob­wohl mit Aus­gang des 19. Jahr­hun­derts bis in die Gegen­wart die Re­geln der Kriegs­füh­rung im­mer wie­der an rea­le Er­scheinungen ad­ap­tiert wur­den, stel­len heu­ti­ge »asy­m­e­tri­sche« und neu­er­dings »hy­bri­de Krie­ge« die Staa­ten vor im­mer neue Herausforderungen.

Nicht­staat­li­che Ak­teu­re, ver­deckt han­deln­de »grü­ne Männ­chen«, Kri­mi­nel­le und pri­vat­wirt­schaft­li­che Söld­ner, im Ein­klang mit »ex­plo­die­ren­den« tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten, ge­stat­ten sog. »hy­bri­de Hand­lun­gen«, die sehr schwer recht­zei­tig zu er­ken­nen und noch viel schwie­ri­ger zu be­kämp­fen sind.

Die völ­ker­recht­li­chen tra­di­tio­nel­len Gren­zen zwi­schen Krieg und Frie­den dro­hen end­gül­tig zu verschwinden.

Krie­ge wer­den wohl künf­tig durch ei­ne ver­gleichs­wei­se ge­rin­ge Zahl an Kämp­fern (Kom­bat­tan­ten und Nicht-Kom­bat­tan­ten), die über mo­derns­te Waf­fen und Ge­rä­te ver­fü­gen, ge­führt werden.

Na­he­zu al­le Er­schei­nun­gen die­ser ge­gen­wär­ti­gen, mo­der­nen Form der Kriegs­füh­rung kön­nen wir mit dem be­kann­ten Schrift­tum des Ge­ne­ral Clau­se­witz ana­ly­sie­ren und auch zu Schlussfolge­rungen kommen.

Sei­ne zeit­lo­se Theo­rie über den Krieg an sich, spe­zi­ell über die Füh­rung von Krie­gen, war zu al­len Zei­ten bei nam­haf­ten Per­so­nen der Ge­schich­te, bei Molt­ke, Schlif­fen, En­gels, Luden­dorff, Le­nin, Schapo­sch­ni­kow, Tuchat­schew­ski, Mao-Tse­tung u. a. im­mer Ge­gen­stand der po­li­ti­schen und mi­li­tä­ri­schen Betrachtung.

Die­se wur­de im Ver­lauf der letz­ten rund 200 Jah­re ent­we­der an­ge­nom­men, ver­wor­fen oder wie­der in den Mit­tel­punkt der ge­dank­li­chen Ar­beit von Po­li­ti­kern, Phi­lo­so­phen und Mi­li­tärs gestellt.

Clau­se­witz‘ Vor­le­sun­gen über den »Klei­nen Krieg« könn­ten wir so­gar den An­spruch ei­ner Me­tho­dik zu­spre­chen, von der vor al­lem Spe­zi­al­trup­pen bis heu­te pro­fi­tie­ren. Was der Au­tor aus na­he­zu zwan­zig­jäh­ri­ger Dienst­zeit als Fall­schirmjäger be­stä­ti­gen kann.

Dar­aus je­doch Clau­se­witz zum Spi­ri­tus Rec­tor, re­spek­ti­ve gar zum Theo­re­ti­ker ge­gen­wär­ti­ger Kriegs­for­men und Kampfme­thoden – na­ment­lich des »hy­bri­den Krie­ges« zu ma­chen, fin­det kei­ne Rechtfertigung.

Aus Sicht des Au­tors ist kein Re­gu­la­ri­um da­für zu er­ken­nen, son­dern ei­ne phä­no­me­na­le Be­schrei­bung von Ur­sa­chen, Ver­lauf und Wir­kun­gen die­ser Kriegs­form. Die­se stellt sich im­mer mehr als ei­ne po­li­ti­sche Ka­te­go­rie dar.

Denn letzt­end­lich sind es im­mer die Men­schen, die ei­ne Theo­rie zur Ge­walt wer­den las­sen, nie­mals die Theoretiker.

Clau­se­witz war Sol­dat und kann­te den Krieg, dach­te prak­tisch und nicht abstrakt.

Quel­len:

21Carl von Clau­se­witz, „Vom Krie­ge“, Ver­lag MfNV Bln., 1957, S. 34
22eben­da S. 34


An­mer­kun­gen*

ius­tus hos­tis: nach Carl Schmitt, »Die He­gung der Krie­ge« – Entkriminalisie­rung des feind­li­chen Sol­da­ten, der ur­säch­lich nicht für den Krieg verantwort­lich sein soll.
ius bel­li: Kriegs­recht (Wör­ter­buch)
– Theo­re­ti­ker: Per­son, die die theo­re­ti­schen Grund­la­gen für et­was erarbei­tet, die sich mit der Theo­rie ei­nes [Fach]gebietes aus­ein­an­der­setzt (Wörter­buch)
– Ope­ra­ti­ve Kunst: Die ope­ra­ti­ve Kunst ist haupt­säch­lichs­ter Be­stand­teil der Kriegs­kunst, der die Theo­rie und Pra­xis bei der Vor­be­rei­tung und Füh­rung ge­mein­sa­mer oder selbst­stän­di­gen Ope­ra­tio­nen und Gefechtshandlun­gen von Ver­ei­ni­gun­gen (Ar­meen und Ver­bän­de) und auf ver­schie­de­nen Kriegs­schauplätzen re­gelt (Au­tor)
– Kriegs­thea­ter: Ein gro­ßer Teil des Ter­ri­to­ri­ums des Kon­ti­nents mit sei­nen Mee­ren oder Oze­an­was­ser­ge­bie­ten, In­seln und der an­gren­zen­den Küs­te so­wie dem Luft- und Welt­raum über ih­nen, in dem stra­te­gi­sche Grup­pen der Streit­kräf­te ein­ge­setzt wer­den und mi­li­tä­ri­sche Maß­nah­men von strategi­scher Grö­ßen­ord­nung durch­ge­führt wer­den können.(D. O. Ro­gos­in »Krieg und Frie­den, Ter­mi­no­lo­gien und De­fi­ni­tio­nen«, Ka­pi­tel 14.7., www​.voi​na​-​i​-mir​.ru )
– ko­gni­ti­ve Ver­nich­tung: Ver­nich­tung der Fä­hig­keit, wahr­zu­neh­men, zu er­kennen und lo­gisch zu den­ken. (Au­tor)
Grup­pe Wag­ner: Pri­vat­wirt­schaft­lich or­ga­ni­sier­te Kampf­trup­pen Russ­lands (Au­tor)
In­ten­ti­on: Ist ein men­ta­ler Zu­stand, der ei­ne Ver­pflich­tung dar­stellt, ei­ne Hand­lung oder Hand­lun­gen in der Zu­kunft aus­zu­füh­ren. Ab­sicht be­inhal­tet men­ta­le Ak­ti­vi­tä­ten wie Pla­nen und Vor­aus­den­ken. (Wi­ki­pe­dia)
– Carl Schmitt: Carl Schmitt war ein deut­scher Staats­recht­ler, der auch als po­li­ti­scher Phi­lo­soph re­zi­piert wird. Er ist ei­ner der be­kann­tes­ten und zu­gleich um­strit­tens­ten deut­schen Staats- und Völ­ker­recht­ler des 20. Jahr­hun­derts (Wikipe­dia)
– Frik­ti­on: Frik­ti­on be­zeich­net in der Mi­li­tär­theo­rie und den stra­te­gi­schen Stu­di­en die Sum­me vie­ler dem An­schein nach klei­ner Ver­zö­ge­run­gen, Feh­ler und Miss­ver­ständ­nis­se, die das Kriegs­ge­sche­hen auch von akri­bi­schen Vor­be­rei­tun­gen ab­wei­chen lässt. (Wi­ki­pe­dia)
– post­fak­tisch: Als post­fak­ti­sche Po­li­tik wird schlag­wort­ar­tig ein po­li­ti­sches Den­ken und Han­deln be­zeich­net, bei dem Fak­ten nicht im Mit­tel­punkt ste­hen. Die Wahr­heit ei­ner Aus­sa­ge tritt da­bei hin­ter den emo­tio­na­len Ef­fekt der Aus­sa­ge vor al­lem auf die ei­ge­ne In­ter­es­sen­grup­pe. (Wi­ki­pe­dia)
– Cy­ber­space: Cy­ber­space be­zeich­net im en­ge­ren Sin­ne ei­ne kon­kre­te vir­tuelle Welt oder vir­tu­el­le Rea­li­tät, im er­wei­ter­ten Sin­ne die Ge­samt­heit mit­tels Com­pu­tern er­zeug­ter räum­lich an­mu­ten­der oder aus­ge­stal­te­ter Be­die­­nungs-, Ar­beits-, Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Er­leb­nis­um­ge­bun­gen. (Wi­ki­pe­dia)
– for­mi­da­bel:
… 1) ver­al­tet oder sel­ten: furcht­bar, rie­sig, schrecklich
… 2) au­ßer­ge­wöhn­lich, er­staun­lich, groß­ar­tig, un­ge­wöhn­lich (Wort­in­fo.)
– Ti­tel­bild: https://​au​ro​ra​.net​work Text – »Путь победы в гибридной войне« (Der Weg zum Sieg im hy­bri­den Krieg)

© by Klaus-Die­ter Krug28

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