Teil 5


Die bereits wei­ter vorn erwähn­ten Gedan­ken des Kriegs­phi­lo­so­phen sol­len nun noch ein­mal mit den nach­fol­gen­den bedeu­tungs­vol­len Wor­ten wie­der­holt wer­den. Clau­se­witz sel­ber pos­tu­lier­te die­se mehr­fach in sei­nem Hauptwerk:

»(…) Ist der Krieg ein Akt der Gewalt, […] Fin­den wir also, daß gebil­de­te Völ­ker den Gefan­ge­nen nicht den Tod geben, [Her­vor­he­bung durch Autor] Stadt und Land nicht zer­stö­ren, so ist es, weil sich die Intel­li­genz in ihrer Kriegs­füh­rung mehr mischt und ihnen wirk­sa­me­re Mit­tel zur Anwen­dung der Gewalt gelehrt hat als die rohen Äuße­run­gen des Instinkts. (…)«

An die­ser Stel­le ver­weist jedoch Clau­se­witz drin­gend auf eine ers­te Wech­sel­wir­kung im Umgang der Kriegs­par­tei­en miteinander.

»(…) Wir wie­der­ho­len also unse­ren Satz: Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwen­dung der­sel­ben kei­ne Gren­zen; so gibt jeder dem ande­ren das Gesetz, es ent­steht eine Wech­sel­wir­kung, [Her­vor­he­bung durch Autor], die dem Begriff nach zum Äußers­ten füh­ren muß. (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 1. Buch, Kap. 1, S. 18 bis 19)

Hier schließt sich indes ein wei­te­rer Kreis zu den hier dar­ge­stell­ten Fra­gen der »Ethik und Moral in der Kriegs­füh­rung« sowie der Kan­ti­schen Meta­phy­sik über Gesetz­mä­ßig­kei­ten, denen Clau­se­witz in sei­nem Schrift­tum ein bedeu­ten­des Gewicht bei­gemes­sen hatte.

Fried­rich Engels (*1820; †1895), gedien­ter Ein­jäh­rig­frei­wil­li­ger (1841 bis 1842) in der 12. Kom­pa­nie Garde-​Feldartillerie-​Brigade zu Ber­lin, befass­te sich ins­be­son­de­re seit 1851 außer­or­dent­lich gründ­lich mit der Mili­tär­wis­sen­schaft. Er ana­ly­sier­te dann nach dem Schei­tern der bewaff­ne­ten Erhe­bun­gen – 1848/​49 – in den Deut­schen Län­dern stra­te­gi­sche, tak­ti­sche und auch soziologisch-​moralische Fra­gen die­se Bewe­gun­gen. In einem Brief an Josef Wey­de­mey­er (*1818; †1866) vom 19. Juni 1851 schreibt Engels, dass er begon­nen habe, «Mili­ta­ria zu och­sen» und beton­te die enor­me Wich­tig­keit der «par­tie mili­taire» (die mili­tä­ri­sche Sei­te) für die Zukunft. Dabei sah er »Revo­lu­tio­nen als Fort­set­zung des Krie­ges«, denen er eine sozi­al­tech­ni­sche Mög­lich­keit des Krie­ges bei­maß [nach Schöss­ler]. Zwangs­läu­fig stieß Engels dabei auf die Wer­ke Clausewitz´.

»(…) Unter ande­rem ent­deck­te Engels die Wer­ke des Gene­rals Carl von Clau­se­witz, dem er die Prä­di­ka­te eines »Natur­ge­nies« und »Stern ers­ter Grö­ße« erteil­te. So schrieb er am 7. Janu­ar 1858 an Karl Marx:
»… Ich lese jetzt u. a. Clau­se­witz ›Vom Krie­ge‹. Son­der­ba­re Art zu phi­lo­so­phie­ren, der Sache nach aber sehr gut. Auf die Fra­ge, ob es Kriegs­kunst oder Kriegs­wis­sen­schaft hei­ßen müs­se, lau­tet die Ant­wort, daß der Krieg am meis­ten dem Han­del glei­che. Das Gefecht ist im Krie­ge, was die bare Zah­lung im Han­del ist, so sel­ten sie in Wirk­lich­keit vor­kom­men braucht, so zielt doch alles dar­auf hin, und am Ende muß sie doch erfol­gen und entscheidet.« (…)«
(Vergl. »Die Kriegs­leh­re von Fried­rich Engels« von Jehu­da L. Wala­ch, Hg. F. Fischer, EU Ver­lags­an­stalt, S. 10 bis 13)

Fried­rich Engels (Quel­le: Wikipedia)

Engels demons­triert hier hier die Rezep­ti­on der Clausewitz´schen Kriegs­theo­rie zu den Fra­gen des Gefechts. So wie in »Vom Krie­ge« dar­ge­legt. Gleich­zei­tig zeigt er als »gelern­ter Öko­nom« sein Ver­ständ­nis für die Nähe der Theo­rien Clau­se­witz´ zur Poli­tik an sich und dem gesell­schaft­li­chen Leben.

»(…) Der Krieg ist ein Akt des mensch­li­chen Ver­kehrs […] Wir sagen also, der Krieg gehört nicht in das Gebiet der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten, son­dern in das Gebiet des gesell­schaft­li­chen Lebens. (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 2. Buch, Kap. 3, S. 117)

An die­ser Stel­le muss auch Engels Kri­tik an Eugen Düh­ring, »Anti-​Dühring« – erschie­nen 1877 – ange­merkt wer­den. Dort schreibt Engels, dass die Gewalt … [Krieg/​Revolution, Anm. Autor] »(…) das Werk­zeug ist, womit sich die gesell­schaft­li­che Bewe­gung durch­setzt und erstarr­te abge­stor­be­ne poli­ti­sche For­men zerbricht (…)«
(Vergl. »Herrn Eugen Düh­rings Umwäl­zung der Wis­sen­schaft (»Anti – Düh­ring«), F. Engels, Dietz Ver­lag Ber­lin, 1973, S. 171)

Engels, der sel­ber an ver­schie­de­nen Plät­zen der revo­lu­tio­nä­ren Erhe­bun­gen in Rhein­preu­ßen, Karls­ru­he und in der Pfalz Augen­zeu­ge und Teil­neh­mer war, unter­such­te die Grün­de des Schei­terns der Erhe­bun­gen. Ein wesent­li­ches Augen­merk leg­te er dabei neben den mili­tär­tech­ni­schen [Bewaff­nung und Aus­rüs­tung] Fra­gen auf die Unter­su­chung der Wir­kungs­wei­se der Moral als sozio­lo­gi­sche Kate­go­rie. Mit Clau­se­witz kommt Engels offen­sicht­lich zu der Erkennt­nis, dass der Auf­stand Regeln unter­wor­fen sei, deren Ver­nach­läs­si­gung zum Ver­der­ben führt.

»(…) Ers­tens darf man nie mit dem Auf­stand spie­len, wenn man nicht fest ent­schlos­sen ist, alle Kon­se­quen­zen des Spiels auf sich zu neh­men. Der Auf­stand ist eine Rech­nung mit höchst unbe­stimm­ten Grö­ßen, deren Wer­te sich jeden Tag ändern kön­nen; die Kräf­te des Geg­ners haben alle Vor­tei­le der Orga­ni­sa­ti­on, der Dis­zi­plin und der her­ge­brach­ten Auto­ri­tät auf ihrer Sei­te; kann man ihnen nicht mit star­ker Über­macht ent­ge­gen­tre­ten, so ist man geschla­gen und vernichtet. (…)«
(Vergl. ME, Aus­ge­wähl­te Wer­ke, Dietz Ver­lag , 1974, Bd. II, S. 283)

Engels hat­te bei die­sen Sät­zen wahr­schein­lich auf Clau­se­witz reflek­tiert, der die »Frik­tio­nen« im Krieg untersuchte.

»(…) Es ist alles im Krieg sehr ein­fach, aber das Ein­fachs­te ist schwie­rig. Die­se Schwie­rig­kei­ten häu­fen sich und brin­gen eine Frik­ti­on her­vor, die sich nie­mand rich­tig vor­stellt, der den Krieg nicht gese­hen hat. (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 1. Buch, Kap. 7, S. 79)

Engels unter­streicht des Weiteren:

»(…) Zwei­tens, hat man ein­mal den Weg des Auf­stan­des beschrit­ten, so hand­le man mit der größ­ten Ent­schlos­sen­heit und ergrei­fe die Offen­si­ve. Die Defen­si­ve ist der Tod jedes bewaff­ne­ten Auf­stan­des; er ist ver­lo­ren, noch bevor er sich mit dem Fein­de gemes­sen hat. (…)
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 1. Buch, Kap. 7, S. 79)

Clau­se­witz cha­rak­te­ri­siert den von Engels ver­wen­de­ten Begriff »Ent­schlos­sen­heit« durch den Zusam­men­hang von Mut und Ver­ant­wor­tung in der Wech­sel­wir­kung mit der See­len­ge­fahr, der »cou­ra­ge d´esprit«, dem »Mut des Geistes«.

»(…) Die Ent­schlos­sen­heit ist ein Akt des Mutes in dem ein­zel­nen Fall, und wenn sie zum Cha­rak­ter­zug wird, eine Gewohn­heit der Seele. (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 1. Buch, Kap. 3, S. 57)

Obwohl Engels der »Offen­si­ve« das Wort rede­te, sah er ähn­lich wie Clau­se­witz die Ver­tei­di­gung als das stär­ke­re Ele­ment im Kampf an. Die Begrif­fe »Offen­si­ve und Defen­si­ve« sind hier mehr als Reak­ti­ons­pa­ra­me­ter zu betrach­ten, nicht als Aus­druck mili­tä­ri­schen Han­delns. Engels schreibt:

»(…) Machen wir uns kei­ne Illu­sio­nen dar­über: Ein wirk­li­cher Sieg des Auf­stan­des über das Mili­tär im Stra­ßen­kampf, ein Sieg wie zwi­schen zwei Armeen, gehört zu den gro­ßen Sel­ten­hei­ten. […] Es han­delt sich nur dar­um, die Trup­pen mür­be zu machen durch mora­li­sche Ein­flüs­se, […] Damit ist die pas­si­ve Ver­tei­di­gung die vor­wie­gen­de Kampf­form; […] Selbst in der klas­si­schen Zeit der Stra­ßen­kämp­fe wirk­te also die Bar­ri­ka­de mehr mora­lisch als materiell. (…)«
(Vergl. ME, Aus­ge­wähl­te Wer­ke, Dietz Ver­lag , 1974, Bd. VI, S. 465 bis 466)

Der Ruf »Auf die Bar­ri­ka­den« mit sei­nem »Zau­ber«, wie Engels das nann­te, hielt trotz der Nie­der­la­gen knapp sieb­zehn Mona­te vom März 1848 bis zur Kapi­tu­la­ti­on der Bun­des­fes­tung Ras­tatt am 23. Juli 1849 an.

Engels Schrift »Die Deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, in den Jah­ren 1849 bis 1850 geschrie­ben und in der »Neu­en Rhei­ni­schen Zei­tung« 185o publi­ziert, schil­dert in vier Kapi­teln die Ereig­nis­se die­ser Zeit. Im IV. Kapi­tel »Für die Repu­blik ster­ben« erfah­ren wir, wel­che Dra­men sich im asy­m­e­tri­schen Kampf der badi­schen Revo­lu­ti­ons­ar­mee gegen preu­ßi­sche Trup­pen abspielten.

Ver­bit­tert stellt Engels fest:

»(…) Die gan­ze „Revo­lu­ti­on“ lös­te sich in eine wah­re Komö­die auf, und es war nur der Trost dabei, daß der sechs­mal stär­ke­re Geg­ner selbst noch sechs­mal weni­ger Mut hatte. (…)«
(Vergl. »Die deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, F. Engels, Hg. K.-M. Guth, Hof­en­berg, 2013, S. 88)

In der Pfalz und in Baden kämpf­ten rund 600 bis 800 Frei­schär­ler, zu denen auch Engels zähl­te. Zur Nie­der­schla­gung der Auf­stän­di­schen rück­ten zwei preu­ßi­sche Armee­korps und ein Bun­des­korps her­an. Das Kom­man­do über die Trup­pen hat­te der »Prinz von Preu­ßen«, der spä­te­re Kai­ser Wil­helm I. Den ins­ge­samt rund 10.000 Män­nern der »Badi­schen Armee« und 12.000 Frei­wil­li­gen stan­den rund 36.000 regu­lä­re preu­ßi­sche und Bun­des­trup­pen – teil­wei­se auf frei­em Feld – gegen­über. Nach hin­hal­ten­dem Kampf zogen sich dann die Res­te der auf­stän­di­schen Armee über die Schwei­zer Gren­ze zurück. Engels sel­ber nahm an die­sen Kämp­fen als Adju­tant des Kom­man­die­ren­den, Oberst Johann August Ernst von Wil­lich (*1810; †1878), teil.
(Vergl. »Die Kunst des Auf­stan­des« Stu­di­en zu Revo­lu­ti­on, Gue­ril­la und Welt­krieg bei Fried­rich Engels und Karl Marx, Hg. W. Metsch, man­del­baum kri­tik und uto­pie, 2020, S. 44 bis 45)

Es ist hier dar­an zu erin­nern, dass der dama­li­ge »Prinz von Preu­ßen« mit sei­nen Brü­dern in Fra­gen des Mili­tär­we­sens von Carl von Clau­se­witz unter­rich­tet wurde.

Wor­an war die­se «Revo­lu­ti­on» geschei­tert? Engels dazu:

»(…) Die Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne ging zugrun­de an ihrer Halb­heit und innern Misere. (…)«
(Vergl. »Die deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, F. Engels, Hg. K.-M. Guth, Hof­en­berg, 2013, S. 87)

Engels selbst schil­dert in allen Kapi­teln, so wie im IV. sei­ner Schrift, wor­in die­se Halb­hei­ten lagen. Dabei ist unschwer zu erken­nen, dass es sich vor­nehm­lich um Orga­ni­sa­ti­ons­fra­gen der mili­tä­ri­schen Hand­lun­gen einer­seits, ande­rer­er­seits um mora­li­sche Fra­gen han­del­te, die zum nega­ti­ven Resul­tat führte.

Schlecht geführt, schlecht bewaff­net, undis­zi­pli­niert und bis auf weni­ge Aus­nah­men kaum mili­tä­risch stand­haft, kam es zu blu­ti­gen Aktio­nen ohne einen bedeu­ten­den Erfolg. Engels schil­dert auf­fäl­lig genau, wie die immer wie­der unsi­che­re Nach­rich­ten­la­ge ver­häng­nis­vol­le Frik­tio­nen nach sich zogen.

Ohne sich in sei­ner Schrift auf Clau­se­witz zu bezie­hen, ist jedoch zu erken­nen, dass sich sei­ne Ana­ly­se auf die Clausewitz´sche Theo­rie des Krie­ges stützt. Die teil­wei­se völ­lig über­sichts­lo­se Füh­rung der Revo­lu­ti­ons­trup­pen sorg­te für Cha­os und Deser­ti­on in erschre­cken­den Maßstäben.

»(…) Die Batail­lo­ne kamen aus Man­gel an Waf­fen nicht zustan­de; die Sol­da­ten, die nichts zu tun hat­ten, ver­bum­mel­ten alle Dis­zi­plin und krie­ge­ri­sche Hal­tung und lie­fen gro­ßen­teils auseinander.
[…] es ent­stand eine gren­zen­lo­se Ver­wir­rung, und ein gro­ßer Teil der Rekru­ten lief aus­ein­an­der. Ein jun­ger Offi­zier der schleswig-​holsteinischen Frei­scha­ren von 1848, Rakow, ging mit 30 Mann aus , die Deser­teu­re wie­der zu sam­meln, und brach­te in zwei­mal vier­und­zwan­zig Stun­den ihrer 1400 zusammen,
[…] In Brei­ten kam eine Depu­ta­ti­on der Stu­den­ten zu uns mit der Erklä­rung, das ewi­ge Mar­schie­ren vor dem Fein­de gefal­le ihnen nicht und sie bäten um Ent­las­sung. […] Über­haupt zeig­ten sich die Stu­den­ten wäh­rend des gan­zen Feld­zu­ges als mal­kon­tente, ängst­li­che jun­ge Her­ren, die immer […] über wun­de Füße klag­ten und murrten,
[…] Die Stra­ße nach Rast­statt bot das Bild der schöns­ten Unord­nung dar. Eine Men­ge der ver­schie­dens­ten Korps mar­schier­te oder lager­te bunt durch­ein­an­der, und nur mit Mühe hiel­ten wir unter der glü­hen­den Son­nen­hit­ze und der all­ge­mei­nen Ver­wir­rung unse­re Leu­te zusammen. (…)«
(Vergl. »Die deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, F. Engels, Hg. K.-M. Guth, Hof­en­berg, 2013, S. 56/​57/​73/​74)

Engels schil­dert gro­be Dis­zi­plin­lo­sig­kei­ten, so z. B., dass sich Sol­da­ten eigen­mäch­tig aus der Marsch­ord­nung ent­fern­ten, um in Wirts­häu­sern, die an der Marsch­stra­ße lagen, einzukehren.

»(…) Die Wege waren bedeckt mit Nach­züg­lern der Armee; alle Wirts­häu­ser lagen voll; die gan­ze Herr­lich­keit schien in Wohl­ge­fal­len auf­ge­löst. Offi­zie­re ohne Sol­da­ten hier, Sol­da­ten ohne Offi­zie­re dort, (…)
(Vergl. »Die deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, F. Engels, Hg. K.-M. Guth, Hof­en­berg, 2013, S. 63)

Berich­te über hart­nä­cki­gen Wider­stand gehen jedoch im Kon­text des Desas­ters unter. So zum Beispiel:

»(…) Die Main­zer Schüt­zen ver­tei­dig­ten den Schloß­gar­ten mit gro­ßer Hart­nä­ckig­keit und trotz bedeu­ten­der Ver­lus­te. Sie wur­den umgan­gen und zogen sich zurück. Ihrer sieb­zehn fie­len den Preu­ßen in die Hän­de. Sie wur­den sogleich an die Bäu­me gestellt und von schnaps­t­run­ke­nen Hero­en des „herr­li­chen Kriegs­hee­res“ ohne wei­te­res erschossen. (…)«
(Vergl. »Die deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, F. Engels, Hg. K.-M. Guth, Hof­en­berg, 2013, S. 58)

Engels stellt auch dar, dass die Aktio­nen der Preu­ßen und der Trup­pen der Bun­des­län­der rela­tiv zag­haft waren, was er auf die hohe Zahl der Land­wehr­trup­pen zurück­führ­te, die wider­stre­bend gegen die Bür­ger vorgingen.

Der König von Preu­ßen, F. W. IV., hat­te ange­sichts der Unru­hen die Land­wehr ein­be­ru­fen, sah sich aber bald gezwun­gen, gegen sel­bi­ge Maß­re­ge­lun­gen zu ergrei­fen. So ließ der »Ober­prä­si­dent der Pro­vinz Sach­sen«, Gus­tav von Bonin (*1797; †1878), in Mag­de­burg am 18. Novem­ber 1848 öffent­lich bekanntmachen:

»(…) Die meu­te­ri­schen Offi­zie­re und Sol­da­ten der Land­wehr, wel­che die öffent­li­che Auf­for­de­rung zum Treu­bruch an ihren Kame­ra­den zu erlas­sen gewagt haben, sind zur Haft gebracht und vor ein Kriegs­ge­richt gestellt. (…) «
(Vergl. Ori­gi­nal­pla­kat vom 18.Novwember 1848/​Magdeburg, Pri­vat­be­sitz Autor)

Engels berich­tet von Ver­rat durch Offi­zie­re und Poli­ti­ker und man­geln­den tak­ti­schen Fähig­kei­ten durch ein­zel­ne mili­tä­ri­sche und poli­ti­sche Füh­rer. So wur­den aber auch not­wen­di­gen Vor­be­rei­tun­gen für Gefech­te nicht rea­li­siert, wie nach­fol­gen­des Bei­spiel zeigt:

»(…) Aber weder Reko­gnos­zie­run­gen wur­den vor­ge­nom­men noch die Höhen zu bei­den Sei­ten des Defi­lees besetzt, […] Wil­lich kam an, reko­gnos­zier­te die Posi­ti­on, gab eini­ge Befeh­le zur Beset­zung der Höhen und ließ die gan­zen nutz­lo­sen Bar­ri­ka­den wie­der forträumen. (…)«
(Vergl. »Die deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, F. Engels, Hg. K.-M. Guth, Hof­en­berg, 2013, S. 60)

Engels – lako­nisch und offen­sicht­lich scho­ckiert – dazu im Resul­tat der »revo­lu­tio­nä­ren« Ereignisse:

»(…) Poli­tisch betrach­tet, war die Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne von vorn­her­ein ver­fehlt. Mili­tä­risch betrach­tet, war sie es ebenfalls. (…)
(Vergl. »Die deut­sche Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne«, F. Engels, Hg. K.-M. Guth, Hof­en­berg, 2013, S. 88)

Die hier dar­ge­stell­te scho­nungs­lo­se Remi­nis­zenz Engels´ über die Ereig­nis­se der »Reichs­ver­fas­sungs­kam­pa­gne« erschien zusam­men­fas­send, nach­dem »der Gene­ral« [So wur­de Engels genannt] Clau­se­witz gele­sen hat­te. Sei­ne tap­fe­re Teil­nah­me an die­ser lag vor dem Stu­di­um der Theo­rien des Mili­tär­phi­lo­so­phen. Mög­li­cher­wei­se kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die­se Kam­pa­gne anders ver­lau­fen wäre, wenn anstatt der Rufe »Auf die Bar­ri­ka­den« eine nüch­ter­ne Lage­ana­ly­se nach Clausewitz …

»(…) Der Kriegs­plan faßt den gan­zen Akt zusam­men, […] Man fängt kei­nen Krieg an, oder man soll­te ver­nünf­ti­ger­wei­se kei­nen anfan­gen, ohne sich zu sagen, was man mit und was man in dem­sel­ben errei­chen will, das ers­te­re ist der Zweck, das ande­re das Ziel. (…)«

… erfolgt wäre, wie wei­ter vorn bereits dargestellt.

Wozu auch eine kla­re Lage­ana­ly­se aller Kräf­te und Mit­tel not­wen­dig gewe­sen wäre. Spä­ter wird Engels – aus die­ser Erfah­rung her­aus – eine »Kon­zep­ti­on des Revo­lu­ti­ons­krie­ges« sowie kla­re »Fra­gen der Mili­tär­or­ga­ni­sa­ti­on« erar­bei­tet haben.
(Vergl. »Die Kriegs­leh­re von Fried­rich Engels« von Jehu­da L. Wala­ch, Hg. F. Fischer, EU Ver­lags­an­stalt, S. 33 bis 49)

Engels über­nahm Schritt für Schritt die Denk­me­tho­de Clau­se­witz´, nach­dem er zunächst Jomi­ni favo­ri­sier­te. Er ent­deck­te die­se »Pass­form« im Zuge sei­nes Stu­di­ums der Militärwissenschaften.

»(…) Jeden­falls wur­den sich jetzt Engels und Marx „der dia­lek­ti­schen Qua­li­tät des Den­kens und der Metho­de Clausewitz´bewußt“ [Ana­co­na] (…)«
(Vergl. »Clau­se­witz – Engels – Mahan: Grund­riss einer Ideen­ge­schich­te mili­tä­ri­schen Den­kens«, Hg- D. Schöss­ler, LIT, S. 326 bis 327)

Fazit