Teil 3

Be­mer­kens­wer­ter­wei­se lief die­se Ope­ra­ti­on oh­ne Schuss­wechsel und Ver­lus­te bei­der Sei­ten ab. Je­doch der Tod ei­nes ukrai­nischen Fähn­richs am 18. März 2014 wur­de durch ei­nen »un­bekannten« Scharf­schüt­zen verursacht.

Wir er­ken­nen hier die Leh­ren Sun­zis aus »Die Kunst des Krie­ges«, ge­schrie­ben vor 2.500 Jah­ren, wo­nach die Kunst des Sie­ges dar­in be­steht, den Wi­der­stand des Fein­des zu bre­chen, oh­ne den be­waff­ne­ten Kampf zu führen.

Die Rus­sen hat­ten 2014 ein kla­res geo­stra­te­gi­sches Ziel, ver­fügten über ei­nen sta­bi­len Ope­ra­ti­ons­plan und wa­ren in der La­ge, durch ei­ne Viel­zahl tak­ti­scher Hand­lun­gen den ge­fass­ten Plan zu ver­wirk­li­chen. Da­mit setz­ten sie die Theo­rie Clause­witz‘, wo­nach mi­li­tä­ri­sche Auf­ga­ben im In­ter­es­se der Po­li­tik ge­gen ei­nen Geg­ner auch un­ter kom­pli­zier­ten Be­din­gun­gen durch­zu­set­zen sind, ge­rad­li­nig um.

Clau­se­witz lässt hier der In­ter­pre­ta­ti­on – den Krieg be­tref­fend – ei­nen wei­ten Spiel­raum, weil er kei­ne ab­ge­schlos­se­ne, en­ge De­finition abgibt:

»Wir wol­len hier nicht erst in ei­ne schwer­fäl­li­ge pu­bli­zis­ti­sche De­fi­ni­ti­on des Krie­ges hin­ein­stei­gen, son­dern uns an das Ele­ment des­sel­ben hal­ten, an den Zwei­kampf. … Der Krieg ist al­so ein Akt der Ge­walt, um den Geg­ner zur Erfül­lung un­se­res Wil­lens zu zwin­gen«6

Gleich­wohl lässt Clau­se­witz auch zu, den Akt der Ge­walt frei zu in­ter­pre­tie­ren, räumt aber auch ein, dass es zur Anwen­dung der äu­ßers­ten Ge­walt kom­men kann:

»Nun könn­ten men­schen­freund­li­che See­len sich leicht den­ken, es ge­be ei­ne künst­li­che Ent­waff­nung oder Nie­der­wer­fen des Geg­ners, oh­ne zu vie­le Wun­den zu ver­ur­sa­chen, und das sei die wah­re Ten­denz der Kriegs­kunst. Wie gut sich das auch aus­nimmt, so muss man doch die­sen Irr­tum zer­stö­ren.«7

Bei der »Krim-Ope­ra­ti­on« konn­ten wir be­ob­ach­ten, dass die NATO bis zu vier Ta­ge be­nö­tig­te, um die Ent­fal­tung zu­sätz­li­cher russi­scher Trup­pen ne­ben den dort auf der Krim stän­dig dislozier­ten zu rea­li­sie­ren. Mit Be­ginn der Ope­ra­ti­on un­ter dem 27. und 28. Fe­bru­ar ver­füg­ten die Rus­sen über rund 25.000 Mann, oh­ne ca. 2.000 zu­sätz­lich dann ein­ge­flo­ge­ne Spezial­kräfte. Nach dem 28. Fe­bru­ar hat­ten die Rus­sen voll­stän­dig die Luft­ho­heit über der Krim. Mit dem 01. März gab es fak­tisch kei­ne mi­li­tä­ri­sche Ein­heit der ukrai­ni­schen Ar­mee, die nicht durch »grü­ne Männ­chen«, ge­tarnt als Bür­ger­wehr, blo­ckiert war.

Al­le Ein­hei­ten der Luft­ab­wehr wa­ren ein­ge­nom­men und der uk­rainischen Füh­rung ent­ris­sen. So konn­ten täg­lich rund 1.000 Starts und Lan­dun­gen rus­si­scher Flug­zeu­ge und Hubschrau­ber rea­li­siert wer­den. Die­se Trup­pen wa­ren dar­auf vor­be­rei­tet und mi­li­tä­risch in der La­ge, Wi­der­stand mit Ge­walt zu bre­chen, wenn das not­wen­dig ge­wor­den wä­re. Zu­mal an der ukraini­schen Gren­ze zeit­gleich ei­ne Ar­mee­übung lief und da­mit ei­nen mäch­ti­gen mo­ra­li­schen und nachrichten­technischen Sup­port darstellte.

So­mit lief die­se Ope­ra­ti­on, in der sich rund 40.000 Mann mit Hun­der­ten ge­pan­zer­ten Fahr­zeu­gen und an­de­rer Kampftech­nik ge­gen­über stan­den, re­la­tiv »fried­lich« ab.
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Das Aus­maß des Ope­ra­ti­ons­rau­mes und der Kräf­te­an­satz verdeut­lichen das Bin­de­glied zwi­schen Stra­te­gie und Tak­tik. Die »ge­räuschlosen« Blo­ckie­run­gen ukrai­ni­scher Ein­hei­ten stel­len takti­sche Glanz­leis­tun­gen dar. Die Rus­sen wa­ren – von ih­ren geo­po­li­ti­schen Zie­len ausge­hend und Ab­sich­ten her­aus – zu al­lem entschlossen.

An der ukrai­ni­schen po­li­ti­schen und mi­li­tä­ri­schen Füh­rung ging die­ser rus­si­sche mi­li­tä­ri­sche Akt im We­sent­li­chen oh­ne nen­nenswerte Re­ak­tio­nen vor­bei, da sie im In­ne­ren des Lan­des ge­bun­den war.

In der Ge­schich­te der hy­bri­den Krie­ge wird die­ses militärpoliti­sche Er­eig­nis als Glanz­bei­spiel eingehen.

Der Ge­ne­ral Clau­se­witz, wä­re er Zeu­ge ge­wor­den, wür­de da­zu wo­mög­lich sagen:

»Ist nun das Ziel des krie­ge­ri­schen Ak­tes ein Äqui­va­lent für den po­li­ti­schen Zweck, so wird er im all­ge­mei­nen mit die­sem her­untergehen, und zwar um so mehr, je mehr die­ser Zweck vor­herrscht; und so er­klärt es sich, wie oh­ne in­ne­ren Wi­der­spruch es Krie­ge mit al­len Gra­den von Wich­tig­keit und En­er­gie ge­ben kann, von dem Ver­nich­tungs­krie­ge hin­ab bis zur blo­ßen bewaff­neten Be­ob­ach­tung8

Der Ver­lauf hy­bri­der Kriegs­hand­lun­gen, haupt­säch­lich ge­stützt auf die Schaf­fung ei­nes »kon­trol­lier­ten Cha­os« beim Geg­ner, kann teil­wei­se lang­wie­ri­gen Cha­rak­ter ha­ben. Ein wich­ti­ges Merk­mal da­bei ist, dass die­ser Krieg nicht er­klärt wird und es kein vor- oder hin­ter der Front gibt.

Nicht sel­ten fah­ren sich der­ar­ti­ge Krie­ge in sog. »ein­ge­fro­re­ne Kon­flik­te« fest, wie wir das am Bei­spiel des ge­gen­wär­ti­gen, fort­gesetzten Kau­ka­sus-Kon­flik­tes sehen.

Das klas­si­sche Kriegs­recht, »die He­gung des Krie­ges« (vergl. Carl Schmitt)*, der Un­ter­schied zwi­schen Kom­bat­tan­ten und Nicht­kom­bat­tan­ten, die Ent­kri­mi­na­li­sie­rung des feind­li­chen Sol­daten »ius­tus hos­tis«*, jahr­hun­der­te­lang, seit dem En­de des 30-jäh­ri­gen Krie­ges all­ge­mein gül­tig, wird obsolet.

Ob­so­let des­halb, weil zu­neh­mend pro­fes­sio­nel­le Söld­ner mit und oh­ne Dul­dung der je­wei­li­gen Staa­ten zu­neh­mend die »Ar­beit« re­gu­lä­rer Trup­pen ma­chen. Sie­he da­zu die Hand­lun­gen der Grup­pe Wag­ner (»Гру́ппа Ва́гнера«)*, die der­zeit so­wohl in der Ost­ukrai­ne als auch in Sy­ri­en und an­ders­wo han­delt oder ge­han­delt hat.

Na­he­zu al­le Er­schei­nun­gen die­ser dif­fu­sen, dunk­len, va­gen und un­über­sicht­li­chen Art der Kriegs­füh­rung ge­stat­ten es uns, auf die Theo­rie der Frik­tio­nen bei Clau­se­witz zu schauen.

In der »hy­bri­den Kriegs­füh­rung« kann es von den ge­plan­ten Hand­lun­gen und Zie­len bis zu de­ren Rea­li­sie­rung er­heb­li­che Ab­wei­chun­gen ge­ben. So ge­lang es den Rus­sen zum Bei­spiel in der Ost­ukrai­ne, das »Schau­spiel« von der Krim nur par­ti­ell zu wie­der­ho­len. Wir se­hen hier sehr deut­lich den Un­ter­schied zwi­schen dem »Pa­pier­krieg« und dem »wirk­li­chen Krieg«.

»Frik­tio­nen«* im Sin­ne Clau­se­witz‘ ma­chen hier in der Pra­xis krie­ge­ri­sche Hand­lun­gen teil­wei­se kaum führ­bar und fast unüberschaubar:

»Es ist al­les im Krie­ge sehr ein­fach, aber das Ein­fachs­te ist schwie­rig. Die­se Schwie­rig­kei­ten häu­fen sich und brin­gen ei­ne Frik­ti­on her­vor, die sich nie­mand rich­tig vor­stellt, der den Krieg nicht ge­se­hen hat. … Frik­ti­on ist der ein­zi­ge Be­griff, wel­cher dem ziem­lich allge­mein ent­spricht, was den wirk­li­chen Krieg von dem auf dem Pa­pier un­ter­schei­det.« 9

Die Kunst be­steht dar­in, mög­li­che Frik­tio­nen früh­zei­tig zu er­kennen bzw. zu er­ah­nen. Hier spie­len »In­tui­tio­nen«* der Opera­tionsführer ei­ne gro­ße Rol­le, um das Ziel zu erreichen.

»Selbst die An­wen­dung die­ser Grund­sät­ze auf der Kar­te und dem Pa­pier hat kei­ne Schwie­rig­keit, und ein ei­nen gu­ten Ope­rationsplan ent­wor­fen zu ha­ben ist noch kein Meis­ter­stück. Die gan­ze Schwie­rig­keit be­steht dar­in: den Grund­sät­zen, wel­che man sich ge­macht hat, in der Aus­führung treu zu blei­ben.« 10

6Carl von Clau­se­witz, »Vom Krie­ge«, Ver­lag MfNV Bln., 1957, S. 17
7eben­da S. 18
8eben­da S. 26
9eben­da S. 79
10eben­da S. 809

Teil IV

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